Full text: Der Kasseler Weinberg

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dem letztgenannten Grundstück lag ein Ziehbrunnen, 
wvelcher sich heute noch als Pumpbrunnen mit eiserner 
Zäule und Schwengel auf dem Trottoir der Hum— 
holdtstraße, dem Gymnasium gegenüber, befindet. 
Dem letztgenannten Garten gegenüber lag am Weg 
der einzige öffentliche Brunnen, mit Satteldach und 
Drehkurbel, aus welchem sich die Besitzer und Mieter 
der Weinbergsgärten versorgen konnten, auch die 
Wirte der Felsenkeller versorgten sich faßweise aus 
demselben, bis der Buchdruckereibesitzer Trömner 
in den 50er Jahren das an diesen Brunnen an— 
stoßende Grundstück mit einem Wohnhaus bebaute 
Humboldtstraße 5), den Brunnen als Privateigen— 
tum erwarb und mit in sein Grundstück einfriedigte. 
Nun war guter Rat teuer, denn es war der letzte 
allgemein gebrauchte Brunnen Privateigentum ge— 
worden. Die von den Besitzern der weiter westlich 
gelegenen Gärten, Dr. Wehr und Regierungsrat 
Rembe, gemachten Versuche, Wasser zu erhalten, 
schlugen fehl, obgleich gegen 100 Fuß tief in den 
Kalkfelsen gegraben bzw. gebohrt wurde. Es war 
zür die Gartenbesitzer, um zu Wasser zu gelangen, 
iur noch die Hoffnung übrig, in dem Keil roter 
Tonerde, welcher sich vom Eingang der Wilhelms— 
höher Allee bis zur Grimmstraße in die Kalk— 
formation schiebt, das zum Leben mit am nötigste 
Element zu finden. In den 60er Jahren veran— 
stalteten die Gartenbesitzer eine Zusammenkunft, in 
velcher beschlossen wurde, den Stadtrat zu ersuchen, 
auf dem Gartenwege nördlich von den in den beiden 
Gärten vorhandenen Brunnen, in der roten Ton— 
erde, einen neuen Brunnen graben zu lassen, und 
sich verpflichteten, das aufgewandte Kapital an die 
Stadtkasse zu verzinsen. Der Brunnen wurde auf 
tädtische Kosten angelegt, ergab in mäßiger Tiefe 
reichlich Wasser und wurde von den Interessenten 
'o lange gebraucht und verzinst, bis mit der Straßen— 
derlegung und Erweiterung 1872 auch die Nieste— 
wvasserleitung auf den Weinberg ausgedehnt wurde. 
Dieser letzterwähnte Brunnen fiel durch die Straßen— 
»erlegung in das Goldschmidtsche Grundstück, 
und ist heute, entweder zugeworfen oder verdeckt, 
noch dort vorhanden. 
Von dem Goldschmidtschen (früher Causidschen) 
Frundstück zog sich der Garten des Staatsrats 
Wöhler an der nördlichen Seite der Humboldt— 
—V— 
das Haus des Architekten Eubell (Marienstraße 12) 
auf dem früher Wöhlerschen Grundstück aufgeführt 
ist. In dem Wöhlerschen Garten standen drei 
Zäuschen, ein steinernes, welches noch vorhanden 
und in welchem Reichsgerichtsrat Dr. Otto Bähr 
einige Zeit im Sommer gewohnt hat, dann ein 
Janz kleines Gärtnerhäuschen dicht am Wege, welches 
hei der Straßenverbreiterung abgebrochen werden 
nußte, und endlich ein achteckiger Pavillon?6), welcher 
seute noch im Garten des Amtsrichters Wolff 
»on Gudenberg steht und in dessen Knopf an 
der metallenen Dachspitze sich noch Dokumente aus 
alter Zeit befinden sollen. Der Wöhlersche Garten 
var besonders wegen seines Rosenflors berühmt, 
s wurden dort eine Menge verschiedener Rosen— 
orten kultiviert und ein eigener Gärtner dazu 
zehalten, welcher auch das sich an das Wirtschafts— 
jebäude der Gesellschaft Euterpe anlehnende ziem— 
ich geräumige Warmhaus zu versehen hatte. Von 
chönen Rosen fiel noch in den 8Soer Jahren vom 
Weg aus besonders eine 8 Meter hoch glockenartig 
zezogene Prärie-Rose auf, welche im Sommer mit 
Taäufenden von Blüten geschmückt war. Auch ein 
chöner Tulpenbaum, welcher heute noch, sehr ver— 
ümmert, in der Einfriedigung des Wolff von Guden— 
zergschen Gartens sein Leben fristet, schmückte den 
Wöhlerschen Garten. 
Die Grundstücke, die an der nördlichen Seite 
der Humboldtstraße vom Wöhlerschen Garten an 
»is nach Sanssouci (Anfang der Terrasse) liegen, 
varen früher im Besitz der sehr angesehenen und 
erdienten Architektenfamilie Durys6), welche in drei 
hßenerationen eine große Anzahl bemerkenswertester 
serrschaftlicher, städtischer und privater Gebäude 
Her Oberneustadt ausführte, z. B. die Oberneustädter 
Zirche, das Meßhaus, Opernhaus, Oberneustädter 
Rathaus, Museum usw. 
Von den Töchtern Simon Ludwig Durys, welcher 
1799 als Baurat und Professor starb, verheiratete 
ich eine, Jeanette, mit dem Obermedizinaldirektor 
Fornelius Grandidier, und die andere, Amalie, 
nit einem Steuerrat Rothe, und bis zur Neuzeit 
varen die westlich gelegenen Gärten im Besitz der 
dachkommen der Familie Grandidier, die östlich 
gelegenen in dem der Nachkommen der Familie 
tothe. 
Der Bauunternehmer A. Engelhardt erwarb 
n den 70er Jahren das westliche Stück des Wöhler— 
chen Gartens und einige Stücke der nördlich da— 
sinter gelegenen Gärten und legte die Marien— 
kraße an, welche bald mit einigen hübschen Villen 
»ebaut wurde und dann in den Besitz der Stadt 
iberging. 
An der Südseite der Humboldtstraße war eines 
der ersten Häuser das vom Maurermeister L. Hoch— 
apfel erbaute Haus Nr. 15, welches in den Besitz 
ines gewissen Veth überging, der hier ein zweifel— 
jaftes Café mit Damenbedienung etablierte, aber 
hzald nachher spurlos aus Kassel verduftet war. 
Der zwischen Nr. 1540 und Dr. Wehrs Garten 
liegende Eingang Nr. 17 war der frühere dies— 
2606 Val. oben Anmerkung 6 auf S.2
	        
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