Full text: Der Kasseler Weinberg

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An der Südseite der Weinbergstraße, neben dem 
Schwanerschen Felsenkeller, lag bis Ende der vier— 
ziger Jahre noch ein unbebauter Garten, welcher 1850 
vom Apotheker A. Sievers angekauft und 1851 
mit einer massiven, mit Zinnen gekrönten Villa be— 
baut wurde, die vom Tale aus gesehen einen burg— 
artigen Anblick gewährte und vom kasseler Volks— 
witz mit dem Namen „pillenburg“ benannt wurde. 
Etwas später kaufte Schlossermeiste Gunkel dem 
Sieversschen Garten schräg gegenüber zwei Gärten 
für zusammen 800 Taler (jetzt Lehrer Grün, Wein— 
bergstraße 8 und Grimmstraße 1) und erbaute auch 
das Haus Nr. 8. — 
An der westlichen Grenze dieses Sieversschen 
Gartens führt ein Weg etwa ein Viertel der Berg— 
höhe abwärts und teilt sich hier in zwei Garten— 
wege, deren einer nach dem früheren Peilertschen 
Felsenkeller (jetzt Henschel) östlich führt, während 
der sich westlich abzweigende fast horizontale Garten— 
weg bis zum Jagerschen Garten fortgeht und von 
letzterem nordöstlich spitzwinklig wieder bergan zurück— 
geht bis zum Hause des Dr. Wehr und von hier 
auf der Fläche des Hügels in einem ebenen Garten— 
weg in die Humboldistraße einmündet. 
Dieser Weg, die sogenannte Eidechse, umgrenzt 
die mittlere Partie der an der Berglehne zu oberst 
gelegenen Gärten. Von der Eidechse südwestlich 
abwärts gehen noch einige Heckenwege nach den tiefer 
gelegenen Gärten des Weinbergs. 
Unterhalb der sogenannten Eidechse wurden an— 
fangs der sechziger Jahre mehrere Grundstücke in 
der Nähe der Henschelschen Besitzung bebaut, nämlich 
zunächst derselben, durch den Maurermeister Schön, 
das sogenannte Schweizerhaus, daneben das Haus 
des Hofrats Bunsen und in dem folgenden Garten 
die Villa des Justizrats Hupfeld. Außer den 
ebengenannten Gebäuden steht heute an der Berg— 
lehne unterhalb der Eidechse nur noch ein tiefer 
gelegenes Wohnhaus in einem Garten, welcher früher 
dem Rechtsanwalt Kraushaar gehörte, dann von 
dem Bauunternehmer Thele erworben und bebaut 
wurde. — 
Der früher auf der Höhe des Weinbergs von 
Osten nach Westen führende schmale Gartenweg 
(jetzige Weinbergstraße) führte gradlinig von dem 
Schelhaseschen Garten bis nach dem westlichen Aus— 
gang der Eidechse oberhalb des auf der Ebene 
liegenden Gartens des Dr. Wehr hinaus und bog 
hier, wie heute noch, rechtwinklig ab nach der Hum— 
boldtstraße. Als Dr. Wehr später noch den unter— 
halb seiner Befitzung liegenden Berggarten erworben, 
kaufte er auch das zwischen seinen Gärten liegende 
Stück Weg und zog es zu seinem Garten, was da— 
mals keinen Anstoß erregte, weil östlich an der 
Wehrschen Besißzung noch ein Gartenweg am so— 
genannten Kegelgarten (der später vom Kaufmann 
Zwenger erworben und bebaut wurde) nach der 
etzigen Humboldtstraße führte, nur mußte am west— 
ichen Ende des Weinbergswegs ein Stück freigelassen 
verden, damit die zur Bestellung der unterhalb 
liegenden Gärten nötigen Dinge hier abgelagert 
verden konnten, auch wohl das Drehen eines Wagens 
zrmöglicht wurde (Grasplatz vor Dr. Wehrs Haus). 
Der schmale alte Gartenweg an Stelle der jetzigen 
Weinbergstraße war an der südlichen Seite mit 
ziner Reihe Holzkirschenbäumen bepflanzt, es stand 
ein Seilerhäuschen dort, ein Seiler hatte die Be— 
rechtigung der Benutzung des Wegs von der Stadt 
erlangt und drehte hier seine Seile. 
An der gegenüberliegenden Seite war das Terrain 
des fürstlichen Parks an dessen südwestlicher Ecke 
noch nicht so hoch als heutes), indem dasselbe erst 
n den dreißiger Jahren, als der Grund zum Stände— 
hjaus gegraben wurde, mit der dort ausgegrabenen 
Erde erhöht wurde. 
Zu dieser Zeit war der östliche Eingang zur 
Eidechse viel breiter als heute. Apotheker Sievers 
kaufte später zur Vergrößerung seines Gartens noch 
ein Stück vom Eingang hinzu und ließ seinen Garten 
mit einer Mauer einfriedigen. — 
Dieser Eingang zur Eidechse bietet wohl einen 
der schönften Standpunkte zur Aussicht nach Süden 
auf die laubreichen Baumkronen des Aueparks, die 
schön geschwungene Fulda und die fernen Berge 
m Hintergrund. — Hier hatte sich an einer kleinen 
Böschung in den dreißiger Jahren der damalige 
hrustkranke Stadtgerichts-Referendar, spätere hessische 
Verfassungskämpfer und nachherige Reichstagsabge— 
ordnete Dr. Friedrich Oetker eine einfache 
Naturbank aus Pfählen und Brettern herrichten 
tassen, um sich bei seinen Spaziergängen auszuruhen 
und dabei von seinem Lieblingsplatz die schöne Aus— 
sicht genießen zu können. Sein Vorgesetzter, Stadt— 
zerichtsrat Wit tich, welcher Eigentümer des Weges 
und der anliegenden Grundstücke war, ließ die Bank 
aber sogleich fortschaffen, damit sich Dr. Oetker dort 
keine Servituten ersitzen könne. — 
Etwas westlicher hinauf lag an dem Weg nur 
ein einziges Wohnhäuschen, welches auch heute noch 
21) In jüngster Zeit ist der Park an dieser Seite durch 
Zurücklegung der Weinbergstraße nicht unerheblich be— 
schnitten worden. Die Familie Henschel, zu deren Gunsten 
die Verlegung der Straße erfolgte, hat dafür die beiden 
Rondelbauten an den Ecken des Parkes aufführen und 
das alte Holzstaket durch einen eisernen Zaun ersetzen lassen, 
außerdem für die Grundfläche der alten Weinbergstraße 
der Stadt Kassel die Summe von 450000 Mark gezahlt 
und die Kosten der Neuherstellung der Straße und der 
angrenzenden Anlagen des Hanauischen Parkes getragen. 
Diese Kosten haben sich nach einer Mitteilung der Firma 
Henschel & Sohn auf ca. 250 000 Mark belaufen.
	        
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