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noch schne gelegen 10 Zol dick, das waßer
ist so groß auff ostern geweßen, das man
hat mit schiffen in der Neustat gefahren
2 gantze tage.
X. 1756 d. 20. Febr. ist hir ein erdbebeuss)
geweßen, das alhir im schloß vom Zittren
ine wandt um gefallen, auff dem großen
Kirch torm hat der wächter geurtheilet,
es würde alles um fallen vom starcken
Bewegen, es ist aber an vielen orten Mehr
geweßen.
d. 17. Mardy ist alhir in der große Kirche
die Supertéenten Wahl geweßen u.
sindt 14 Mitelpolitan von draußen hir
geweßen u. alle pfarer hir auß Casseli
u. sind zu gegen geweßen der H. Reg. rath
Rießeder H. Viß Cantzler u. der geheimpte
Raths presitent H. von Wilckenitz, sie
Jaben alles schriefftlich übergeben an die
z Herren u. ist zum Sup. tenten erwehlet
wvorden H. Lederhoßes6), welcher da zu
mahl zu Hanau prediger war. Auch darauff
d. 19. May in der großen Kirche ebenfals
hon den 14Mitelpolitanen u. allen pharren
4. 1756
s6) Am 5. November 1755 war das fürchterliche Erd—
beben von Lissabon gewesen, von dessen entsetzlichen Folgen
— mihr als 30 000 Menschen waren dabei umgekommen —
noch alle Welt sprach. Dies Ereignis beeinflußte wohl
twas die Phantafie der Kasseler Büuͤrgerschaft. Nach der
Graßmederschen Chronik hat Landgraf Wilhelm an 50
Personen über das vermeintliche Erdbeben abgehört. Graß-
meder selbst aber sagt: ich und mein ganzes Hausvolk
haben nichts davon verspürt.
s6) Joh. Konr. Ledderhose, geb. 1700 zu Wolfhagen,
war bereils 1744 48 Archidiakon zu Kassel gewesen, dann
Superintendent zu Hanau und seit 1756 also wieder zu
Kafsel, wo er am 20. Januar 1771 starb. (Strieder 7, 457.)