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eine lobenswerthe Angewohnheit, wenn es irgend die Umstände
erlauben, eine gewisse Zeit im Essen zu beobachten und nicht nur
zu essen, wenn es da ist. Aller Ueberfluß hierin schadet vielmehr,
als daß er Nahrung oder Kräfte hervorbringen sollte. Sollen
ferner die Speisen, welche wir zu uns nehmen, gut bekommen,
so muß langsam gegessen und die Speisen zerkauet und nicht in
Stücken verschluckt werden, denn man sagt im Sprichwort: „wer
gut kaut, der gut verdaut.“ Auch hüte man sich, bei heftiger
Gemüthsbewegung zu essen oder zu trinken, weil bei solcher An—
strengung die Verdauung leidet; man warte daher bis der Geist
wieder in völliger Ruhe istz; denn Heiterkeit und Frohsinn ver—
stärken den Appetit und befördern die Verdauungskräfte. Ein
wenig zu viel bei einer geselligen Freude, schadet weniger als
bei Schreck oder sonstiger Traurigkeit zu essen. Ferner ist nach
dem Essen heftige Bewegung eben so schädlich wie völlige Ruhez
eine mäßige Bewegung ist das beste.
So weit mein Wissen über die vorhergegangenen Gegen—
stände reicht, habe ich mich darüber ausgesprochen; ich will aber
doch noch zur Beglaubigung folgende Beispiele anführen:
Es lkebte in früherer Zeit zu Wettesingen die Frau Verwal—⸗
terinn Stein, eine alte betagte Frau von 92 Jahren; diese ersuchte
ich einstmals, mir zu sagen, ob sie glaube, zu ihrem hohen Alter
etwas beigetragen zu haben. Sie gab mir darauf zur Antwort:
sie habe dieses Alter bekanntlich bei dem Antriebe eines thätigen
Lebens erreicht, alle Affecten oder Gemüthsbewegungen kräftig
zu unterdrücken gesucht und sei den Veranlassungen zu Zorn,
Zank u. s. w. aus dem Wege gegangen, wodurch sie sich endlich
ein ruhiges heiteres Gemüth erworben hätte. In Essen und
Trinken habe sie ihren Magen vor Beschwerden geschützt, wohl
kräftige Speisen doch niemals Leckerbissen genossen; sie sei gar
nicht aus ihrer Gewohnheit gekommen, nachdem sie ihre Portion
zur bestimmten Zeit genossen, habe sie aufgehört mit Essen, wenn
es ihr auch noch recht gut geschmeckt habe und kurz darauf Sät—
tigung und ein gutes Wohlbesinden empfunden.
Ich führe nun noch das Beispiel eines alten betagten vor—
nehmen Herrn an, welcher durch sein sehr ordnungsliebendes und
thaͤtiges Leben in allen möglichen Hinsichten seine Gesundheit zu
conserviren wußte. Er ging in seinem hohen Siebenzigern in
Wind und Wetter, in Regen und Schnee täglich mehrere mal
in die freie Luft, auf seine Aecker, Wiesen und Gärten, begab
sich Abends 10 Uhr zur Ruhe und schlief bis 6 Uhr Morgens.
Seine Thätigkeit war, ich möchte sagen, beispiellos; Abends schrieb