Zwei Kasseler Chroniken des achtzehnten Jahrhundoerts. 487
heimgewiesen“ und damit natürlich auch die Religion abermals
gewechselt. 1636 trat Johann mit einem kKatholischen Religions-
odikt seine Regieèrung wieder an, wies die Prädikanten aus und
führte dio Jesuiten zurück. Nach seinem Tode kam es zu lang-
wierigen Streitigkeiten, bis ein Rezeß von 1651 2wei Stammteiüe
dor reformierten Linie und ein Drittel der katholischen zuwies.
In dem reformierten Gebiet galt nur das reformierto RExercitium,
während in dem katholischen die Reformierten ebenfalls grund-
säützlich freie Religionsübung hatten. Dagegen durften sie keine
eigenen Schulen gründen, vielmehr traf der Fürst die sonderbare
Verfügung, daß die katholischen Schullehrer den reformierten
Katechismus mit den Schülern dieser Konfession lesen und ihnen
die reformierten Gesünge beibringen sollten. 1742 kamen nach
dem Aussterben beider Linien die beiden Teile, der reformierte
wie der katholische, an den reformierten Fürsten von Nassau-
Dietz. Wie früher die Reformierten unter der katholischen Herr-
schaft, so fühlten sich unter dem neuen Regiment nun die Ka-—
tholischen bedrückt. Der Grundsatz „Ouius regio, eius religio“
wird drastisch illustriert durch die Behandlung der unchelichen
Kinder. Unter der katholischen Herrschaft wurden sie katholisch
getauft, nun aber den Réeformierten zugesprochen, weil nach einer
Entscheidung von 1786 die, Bastardfälle ein landeshberrliches Regal
ausmachen“. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts hatten sich die
Gegensàtzo so abgeschliffon, daß orzuhlt wird, der katholische und
dio reformierten Pfarrer in Siogon hätten sich in einzelnen Amts-
handlungen gegenseitig vertreten und sich ihre Predigten zur
Begutachtung vorgelegt. Um 1840 bhielten der Superintendent
und die evangelischen Pfarrer bei der Beerdigung katholischer
Geistlichon Leichenreden. —
Die Darstellung zeichnet sich durch anerkennenswerte Ruhe
und Objektivitãt aus.
Im 2weiton Teil behandelt der Verfasser die Entwicklung
and den gegenwärtigen Zustand des Dekanats und seiner Pfarreien
(altere Geschichte, Seelsorge, Patronat, Kirchenvermögen, Gebäudée,
Schulverhältnisss usw.). Unter Berleburg ist auch ein Ueber—
blick über die Geschichte der Grafschaft Wittgenstein gegeben.
Schwetz. KI. Löffler.
212.
Zzwei Kasseler Ohroniken des achtzehnten Jahrhunderts. Ein Bei-
trag zur Orts- und PFamiliengeschichte, herausgegeben von
Dr. Philipp Losch. gr. 8So. VIu. 173 8. Rassol. O. Vietor.
1904. M. 2.50.
Den hier veröffentlichten Obroniken, die übrigens gekürzt
bereits im „Hessenland“, bezw. in den „Hessischen Blüttern“
abgedruckt wurden, kommt, abgesehen von éinem gewissen kultur-
geschichtlichen Wert, vorwiegend örtliche Bedeutung zu. Die
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t. . Lα α. Mαα. 0