Full text: Zwei Kasseler Chroniken des achtzehnten Jahrhunderts

Zwei Kasseler Chroniken des achtzehnten 
Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Orts— 
und Familiengeschichte. Herausgegeben von 
Dr. Philipp Losch. Kafsel (Verlag von Carl 
Bietor, Hofbuchhandlung) 1904. 
Das vorliegende Buch bildet eine höchst wertvolle Be— 
reicherung unserer lokalgeschichtlichen Literatur. Es ent— 
zält zunächst die den Lesern des „Hessenland“ bereits 
»ekannte, den Zeitraum von 1683—1819 umspannende 
Zunkelsche Familienchronik, an deren Abfassung fünf 
Benerationen beteiligt waren. Ihr folgt die 1734 ein— 
etzende, mit dem Jahr 1779 abschließende Graßmedersche 
dandchronik („Eine kleine Hand-Cronica worinen vielerlei 
zeschehene Dinge enthalten sein aufgesetzt von Johann 
Ernst Graßmeder“). Ihr Verfasser besaß eine große 
Härtnerei vor dem Frankfurter Tor, und seine Auf— 
eichnungen sind besonders aufschlußreich über die Schicksale 
dassels im siebenjährigen Krieg, die auch in der Gunkel— 
chen Chronik geschildert werden. Auch sonst sind die Ge— 
chicke der Stadt in beiden Chroniken, auf den Sehwinkel 
hrer Verfafser eingestellt, eingehend behandelt, so daß das 
Werk nicht nur für den Lokalforscher und Kulturhistoriker 
eine wahre Fundgrube darstellt, sondern für jeden, der an 
der Entwickelung der Stadt, an den Leiden und Freuden 
der Kasseler Bürger seit den Tagen des Landgrafen Karl 
Anteil nimmt, eine Lektüre voll hohen Genüsses bildet. 
Der Anhang enthält außer einer genealogischen Übersicht 
»er Familie Gunkel und einer Skizze über den Maler 
Friedrich Gunkel einen Aufsatz über die Gräfin Bernhold, 
der auf Grund eingehender Forschungen des Verfassers 
endlich Klarheit über diese Geliebte des Landgrafen Karl 
ind ihre Familie bringt. Auch der sich anschließende 
Abschnitt über die Kasseler Straßennamen bietet über die 
instigen und jetzigen Namen der Kasseler Straßen eine 
nit zahlreichen Anmerkungen durchsetzte Übersicht, die aus 
den Landesordnungen nicht immer zu gewinnen ist. Üüber— 
saupt ist das ganze mit einer Fülle wichtiger und will— 
ommener Anmerkungen versehen, und wenn wir das am 
Ende aufgestellte ausführliche Register für den wertvollsten 
Teil des Buches erklären, so will das nicht mißverstanden 
ein; erst dadurch ist dem Forscher eine ausgiebige und 
chnelle Benutzung des dargebotenen Materials ermoͤglicht. 
Alles in allem eine fleißige, verdienstvolle Arbeit, die eine 
eltene Kenntnis unserer Lokalgeschichte voraussetzte und 
pezeugt. 
Wenn (Gon Jonas) die unklare Notiz auf S. 5. der 
Sunkelschen Chronik: „A. 1715 den 5. julij ist Christian 
Zartorius auff worden und seindt gülde Mstr. gewesen“ .... 
nterpretiert wird: „ist mir Christian Sartorius auf ge— 
»ungen , worden“, so trifft das wohl das Richtige; nur 
das eingeschobene „mir“ widerspricht der festgelegten Ter— 
ninologie des damaligen Zunftwesens. Unstreitig handelt 
s sich um einen Lehrling; unter Aufdingen verstand man 
ne Handlung, wodurch einer zum Lehrling bei einer 
zunft aufgenommen wurde. Der Aufzudingende mußte 
ich den Zunft-(Gilde-)meistern vorstellen, und wenn seine 
zunftfähigkeit auf Grund der Geburtsbriefe und anderer 
zedingungen dargetan war, so wurde der Meister bestimmt 
ind der Lehrling in das Gildebuch eingetragen, wofür 
er Zunftmeister eine gewisse Abgabe erhielt. Die Be— 
nerkung in Fußnote 32 derselben Chronik (S. 22), die 
eiden Schirnen im Rathaus und am Stadtbau seien zum 
ßerkauf des höher taxierten Fleisches bestimmt gewesen, ist 
licht ganz zutreffend. Nur in der sogenannten kleinen 
der neuen Schirne, die sich unter dem Rathaus befand, 
urfte das wegen seiner Güte höher taxierte Fleisch ver— 
auft werden, während das geringere Fleisch in den Bau— 
chirnen neben dem Neubau (dem jetzigen Stadtbau) feil— 
leboten wurde. 
Diese beiden Chroniken biederer Kasseler Bürger verdienen 
iine weite Verbreitung. Gewissermaßen als Fortsetzung 
,er Gunkelschen Chronik soll das mir zufällig in die Hände 
eratene Tagebuch eines Kurfürstlichen Bereiters (1806 bzw. 
825 1845) demnächst gleichfalls im „Hessenland“ ver— 
iffentlicht werden. Heidelbach. 
Buchenau, H. Brakteatenfund von Nieder— 
kaufungen bei Kassel. Ein Beitrag zur 
Geschichte des mittelalterlichen Münzwesens, 
besonders für die Gebiete von Hessen, Thüringen, 
Waldeck und der Erzbischöfe von Mainz. Mit 
3 Lichtdrucktafeln und Abbildungen im Text. 
Dresden (Verlag von C. G. Thieme) 1903. 
Preis 4 Mark. 
Als man im August des Jahres 1860 in der Nähe 
er hessischen Papierfabrik, welche damals den Herren 
ßriesel K List gehörte, auf dem rechten Ufer der Losse ein 
ieues Flußbett zu graben begann, wurde ein größerer 
Zrakteatenfund gemacht. Unter Brakteaten versteht man 
ekanntlich die weit verbreiteten gröäßeren Münzen aus 
ünnem Silberblech, deren gemeinsames Kennzeichen die 
zrägung vermittelst nur eines Stempels bildet, so daß 
uuf der Rückseite vertieft erscheint, was die Hauptseite er— 
aben zeigt. Ganz ausnahmsweise gibt es auch zweiseitig 
eprägte und goldene, nur zum Schmuck dienende Brakteaten. 
'hren Anfang nahmen sie in der ersten Hälfte des zwölften 
ahrhunderts und beschränkten sich auf Deutschlands Nord— 
sten und Südwesten, mit Einschluß von Böhmen und der 
eutschen Schweiz sowie Ungarn, Polen und Skandinavien. 
Die Münzen der ersten hessischen Landgrafen im dreizehnten 
sahrhundert waren ebenfalls Braktealen, wie sich aus der 
ingen Verbindung des Landes mit Thüringen erklärt. 
fast jede größere Stadt mit Marktrecht pflegte im zwölften 
ind dreizehnten Jahrhundert in den erwähnten Gegenden 
Zrakteaten zu prägen. Dieselben tragen neben dem Münz-— 
lde teils Inschriften, teils Wörter, teils Buchstaben oder 
zeichen, teils fehlen solche. Bei dieser großen Mannig—
	        
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