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wenige der neu geschaffenen Namen hatten Bestand, so die Hohetorstraße, die
an Stelle der „Filzlaus“ trat. Ein jetzt namenloses Gäßchen, damals „Andreas—
gäßchen“ getauft, hieß früher „Die A. K.“ (A.... K... ); nur in dieser
offiziellen Abkürgun t der Herausg. den derben, noch heute bekannten
volkstümlichen Nam. oilen.
Die Reichenbacher
Unter Mitwirkung von Pfarrer
Dr. phil. Wilhelm Diehl, evang. P
Verfis 1904. XII u. 116 S. Mk. 1,80.
Aus dieser interessanten Chronik des Odenwälder Pfarrers hat ihr
Herausg. schon in Bd. II, S. 148 ff. dieser Blätter einige hübsche volkskundliche
Mitteilungen gemacht. Der vollständige Abdruck ist mit Dank zu begrüßen.
Nicht bloß der Gelehrte findet in ihr eine Fülle wertvollen kulturgeschichtlichen
Materials, auch dem Laien vermag sie eine ferne Vergangenheit wieder lebendig
zu machen. Und vielleicht noch reizvoller als die Kenntnis des objektiven
Details ist es zu sehen, wie sich die Welt, die nähere und fernere, in dem
Kopfe dieses Bullauer Bauernsohnes, der die geistliche Würde erlangt hat,
spiegelt. Hier sollen nur einige volkskundliche Nachträge zu Diehls früheren
Mitteilungen gegeben werden.
Über den a. a. O. S. 149 bereits erwähnten Zauberer Lorenz von
Winterkasten berichtet eine Notiz aus dem Jahre 1616, daß er zu Kolmbach
gestorben sei; „ein verschreyter Magus“ wird er genannt (S. 86). Ein anderer
Zauberer aus Michelstadt wird im Jahre 1612 hingerichtet (S. 62), ein anderer
aus Höchst wird 1617 verbrannt (S. 87); auch von einem Pfarrer des 16. Ih.s
wird das Gerücht verzeichnet, er sei ein Negromanticus gewesen (S. 107). —
Das von D. (a. a. O. S. 149 f.) mitgeteilte Edikt gegen das Fastnachts—
treiben ist auch schon 1614 erneuert worden (S. 72), und 1617 wird in prae—
fectura Schönbergensi „kein Fastnacht mehr gestattet“ (S. 87). Wegen Tanzens
auf Judica werden junge Burschen ins Gefängnis gesetzt (im Jahre 1618,
S. 90). — Die Hochzeiten, die vorher Montags stattfanden, werden in der
Pfarrei Reichenbach 1609 auf den Dienstag verlegt, damit am Sonntag nicht
geschlachtet werde (S. 45). Des Büchsenschießens beim Brautabholen wird
gelegentlich gedacht (S. 24). Am Aschermittwoch 1617 wird in Gegenwart
eines Pfarrers von mehreren Dörfern eine leider nicht näher beschriebene
Exekution gegen einen Ehemann, der von seiner Frau geschlagen wurde, vor—
genommen (S. 87). — Eine Notiz des Jahres 1606 berichtet über einen auch
sonst bezeugten Aberglauben: „Den 27. Sept. und 4. Okt. sind Mörder zu
Worms gerichtet worden, welche bekennt, ihre Compagnie sei in die 50 stark;
soll der eine 3 schwangere Weiber sambt ihren Früchten umbracht haben, bis
er bei der letzten ein Knäblein funden, dessen Herz (in 4 partes divisum) er
und andere seiner Gesellen in ihren Leibern (in die Versen) lassen einheilen;
ist mit glüenden Zangen gerissen, danach mit dem Rad gestoßen und endlich
verbrannt worden.“ (S. 21, vgl. Wuttke, Volksaberglauben *S. 134). 1610 „umb
Jacobi sind wütende Hunde zu Gadernheim umbgelaufen und Schaden gethan,
darumb sie Nottfe uer gemacht haben (ist ein Aberglaube)“. (S. 51, vgl.
Wuttke, a. a. O. S. 93). — Die kirchliche Aussegnung der Kindbetterinnen
wird 1603 in Reichenbach eingeführt (S. 12). Endlich sei noch auf die Auf—
rrers Martin Walter 1599 - 1620.
Reichenbach hrsg. von Liec. theol.
in Hirschhorn a. N., Selbstverlag des