Verbannung des Landgrafen 1821 35
erkennen wird, in wie weit Sie gegen die Person Ihres Landes Herrn ge⸗
fehlt haben. Ich gebe Ihnen deshalb auf, weeder während Meines noch
des Auffenthalts des Königs von Preußen hierher zu kommen, Ihre fa—
mille mitbegriffen. Ich werde Ihren ferneren Aufenthalt und apointements
hier in Hanau bestimmen: wo es nach dem Häufig Anstößigen Betragen Mein
Wille ist, daß Sie wohnen sollen. Ich Benachrichtige Ew. Lbd. zugleich wie
Ich treue Abschrift von diesem Briefe habe nehmen lassen, damit dessen Aus⸗
druck nicht wie so viele Meiner Handlungen von Ihnen entstellt werde.
Ich verbleibe mit Achtung deren dienstwilliger Wilhelm K“.
Dieses unerhörte Verbannungsdekret mit seinen sinnlosen Anschuldigungen
versetzte den alten Fürsten in begreifliche Aufregung. Vergebens versuchte er
durch mehrere direkte Schreiben an den Kurfürsten eine Erläuterung der
beleidigenden Vorwürfe zu erhalten, wandte sich dann an den Hausminister
o. Schmincke und protestierte energisch gegen die vagen Anschuldigungen
seines Neffen, „denn wenn man als Souverain sich alles glaubt zu erlauben,
so erfordert das innere Gefühl, einen 73 jährigen Onkel nicht auf diese be⸗
leidigende Art anzugreifen, ohne die deutlichen Proben seiner großen Ver⸗
brechen beyzulegen.“ Auf die Zumutung der Verbannung nach Hanau er—⸗
widerte er einfach: „Der Ort, wo ich meine alten Tage beschließen will,
ist wohl an mir selbst zu bestimmen.“ Damit goß er aber nur
Ol ins Feuer. Schmincke mußte ihm antworten, „daß S. Kgl. Hoheit nicht
gesonnen seyen, weitere Discussionen über die bewußte Angelegenheit zu pflegen;
indem Allerhöchstdieselben nicht gewohnt wären, von einmal gefaßten Ent—
schlüssen ... abzugehen, umso weniger, je wichtiger und triftiger die Gründe
seyen, ... von welchen Allerhöchst dieselben als Souverain und Chef des
Hauses jemand Rechenschaft zu geben und irgend eine fremde Competenz
anzuerkennen nicht nötig hätten.“ Zugleich wurde dem Landgrafen (17. Sept.)
mitgeteilt, daß die für ihn und seine Familie bestimmten Räume des Hanauer
Schlosses jetzt für ihn bereit stünden!
In Cassel erregte es großes Aufsehen, als bekannt wurde, daß das Palais
des Landgrafen Friedrich zum Verkauf stehe, und als gar im August 1822
der Herzog von Cambridge dort erschien, um seines Schwiegervaters
Sachen zu packen. Bei Hofe ließ der Herzog sich nicht sehen, kam auch nicht mit,
als im Herbste desselben Jahres sein Bruder, der neue König Georg IV.
von England, von Hannover aus den Kurfürsten in Cassel besuchte. In
Cassel erzählte man sich, die landgräfliche Familie sei nicht nur aus der
Hauptstadt, sondern aus dem ganzen Lande verbannt, ein Gerücht, das da⸗
durch bestätigt schien, daß der Landgraf kurz nach dem Bruch mit dem Kur⸗