Regierungswechsel 1821 Ldgr. Friedrich und Kurf. Wilhelm II. 33
and Mimi ihr gepreßte Blumen in ihren kindlichen Briefen mitschickten.
Die Briefe aus Hannover wurden im Familienkreise vorgelesen, wobei die
Kinder mit Aufmerksamkeit zuhörten. Der Landgraf wußte nur Gutes von
ihnen zu berichten, „il n'y a que cette malheureuse Bier-Suppe qu'elles
ne veulent pas manger et qui coutte des pleurs“. Der mitleidige Groß⸗
vater verwandte sich für seine Enkelinnen mit Berufung darauf, daß in Stre—
litz die beiden Altesten die Biersuppe auch nicht mehr zu essen brauchten, wagte
jedoch nicht eigenmächtig den Speisezettel zu ändern, bat aber seine Schwieger⸗
tochter darum, „car les pauvres enfants se forcent, et cela leurs fait
zurement plus de mal que de bien“.
Das landgräfliche Familienidyll erfuhr eine schlimme Störung, als im
Februar 1821 der alte Kurfürst starb und sein Sohn als Kurfürst Wilhelm I.
die Regierung antrat. Wenn auch der Geiz und die Schrullen des alten Kur⸗
fürsten nicht selten Anlaß zu Verstimmungen zwischen den Brüdern gegeben
hatten, so hatte Wilhelm IJ. doch nie das verwandtschaftliche Verhältnis
bergessen und streng darauf geachtet, daß seinem Bruder und dessen Familie
als nächsten Anverwandten des Hauses die ihnen gebührende Stellung am
Hofe eingeräumt blieb. Unter Wilhelm II. änderte sich das vollständig; es
kam zu einem völligen Bruch in der fürstlichen Familie.
Die Spannung zwischen Wilhelm II. und der Familie des Landgrafen
Friedr ich war schon alten Datums. Sie hatte mit Rangstreitigkeiten be—
gonnen, die besonders seit der Verheiratung der Töchter des Landgrafen und
dem öfteren Auftreten seiner Schwiegersöhne und Söhne in Cassel zu wieder—
holten Reibungen geführt hatten. Zu einem besonders heftigen Zusammen⸗
stoß kam es bei der Feier der Grundsteinlegung der Kattenburg am 29. Juni
8202, als der damalige Kurprinz, der sich schon über angebliche Zurücksetzung
beschwert fühlte, nicht dulden wollte, daß der Wagen der Prinzessin Wilhelm,
die von Zahnschmerzen geplagt wurde, vor ihm den Festplatz verließ, wobei
schließlich die beiderseitigen Hofkutscher mit den Peitschen aufeinander losgehen
wollten. Die Landgräfin Caroline war darüber so indigniert, daß sie später
aach der Hoftafel zu dem Kurprinzen bemerkte, er solle ihr sagen, wann er
aufbreche, damit sie sich danach einrichten könne und es nachher nicht wieder
zu einer Prügelei zwischen den Kutschern käme. Diese Vorkommnisse hatten
die Spannung verschärft, und als im nächsten Jahre der Thronwechsel den
So z. B. im Mai 1818, als der Kurfürst die Räumung des seit 1816 von der
Prinzessin Wilhelm bewohnten Hauses und Aufnahme der Prinzessin in das räumlich
ehr beschränkte Haus Friedrichs verlangte.
2 Val. Aus den Tagen eines erloschenen Regentenhauses (1878) S. 586.
Losch, Landgr. Friedrich