Full text: Aus dem Leben des Landgrafen Friedrich von Hessen auf Rumpenheim: 1747-1837

London 1818 Familienleben in Cassel 
Hauses zeigte. Ich fand die Stadt sehr vergrößert und hatte Mühe, mich da⸗ 
rin zurecht zu finden“. Bei den Spaziergängen, die der Landgraf mit Tochter 
und Schwiegersohn in London machte, hatte er Gelegenheit, die rücksichtslose 
Neugier des sonst so phlegmatischen englischen Publikums kennen zu lernen. 
Obgleich die Herrschaften ganz unauffällig im Hydepark spazierten, wurden 
sie doch bald erkannt und „von einem verwirrten Haufen von Fußgängern, 
Reitern und Wagen so schonungslos umringt und in eine Wolke von Staub 
reingehüllt“, daß die junge Herzogin, von dem Ungestüm des sie umdrängen⸗ 
den, unaufhörlich hurrabrüllenden Volkes aufs äußerste erschreckt, schnell wie⸗ 
der nach Hause flüchtete. „Selbst auf der Treppe ihres Hauses in South 
Audley Street empfingen sie noch über 200, eben nicht mit den melodischsten 
Kehlen begabte Weiber mit einem betäubenden Freudengeschrei““. Am Montag 
den J. Juni 1818 fand dann die nochmalige feierliche Einsegnung der Ehe 
des Herzogspaares nach anglikanischem Ritus im Palaste der Königin unter 
dem Donner der Geschütze des Towers statt, woran sich ein großer Empfang 
beim Prinzregenten in Carlton House anschloß. 
Landgraf Friedrich weilte noch einige Wochen in England, ehe er, sehr 
befriedigt von seinem dortigen Aufenthalt, die Heimreise antrat. Auch seine 
Tochter und sein Schwiegersohn blieben nicht in England, sondern zogen im 
nächsten Jahre nach Hannover, wo im März 1819 ihr einziger Sohn Georg, 
der spätere Oberbefehlshaber der englischen Armee, geboren wurde. Der Land⸗ 
graf war sehr besorgt um seine Tochter, — notre vieille Angloise, wie er 
sie nannte — und sandte seine Gemahlin nach Hannover, um ihr in ihrer 
schweren Stunde zur Seite zu stehen. Da auch die Prinzessin Wilhelhim da— 
mals in Hannover war, so sorgte in Cassel inzwischen die allzeit hilfsbereite 
Schwägerin Luise v. Usingen für den doppelt verwaisten Haushalt. 
Aus den zahlreichen Briefen, die damals von Cassel nach Hannover gingen, 
gewinnt man ein anschauliches Bild von dem reizenden Familienleben, das 
im landgräflichen Palais in der Königsstraße herrschte. Wenn der alte Land⸗ 
graf mit seinen Enkelkindern zusammen frühstückte — der Großpapa auf dem 
Canapé, „das kleine Louisien“! neben ihm, Line? und Mimis an der 
Seite und Luise (die einzige noch unvermählte Tochter, die ihre Nichten 
unterrichtete) gegenüber — und dann die Schwägerin Luise dazukam, dann 
kam es den beiden alten Herrschaften so vor, „als ob sie 30 Jahre jünger 
seien“. Und ebenso fühlte die alte Landgräfin sich wieder iung, wenn Line 
Die spätere Königin Luise von Dänemark* 1817. 
2 Prinzessin Caroline“* 1811, * 1829 zu Kopenhagen. 
Marie. die spätere Prinzessin Friedrich von Anhalt-Dessau * 1813.
	        
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