Ubersiedelung nach Cassel 1813 29
war auf den Reichsfreiherrn, den er nicht ohne Grund als seinen persön⸗
lichen Feind betrachtete, sehr geladen. Friedrich suchte ihn zu entschuldigen.
„Mr. de Stein est vif, même violent, mais il est droit et dit sindè-
rement sa façon de penser.“ Er könne sich nicht über ihn beklagen, da
er immer „fort amical et même confiant“ gegen ihn sei. Auch bei dem
heftigen Konflikt, der dadurch entstand, daß der Kurfürst gegen den Befehl
des Generals von Kleist seine Truppen nach der Rückkehr aus Frankreich im
Sommer 1814 zu den Erntearbeiten teilweise demobilisiert hatte, trat Friedrich
als Vermittler auf, besuchte am 29. Juli den König von Preußen in
Frankfurt und suchte die Maßregeln des Kurfürsten zu erklären und zu ver—
teidigen. Er erreichte auch, daß der König ihm teilweise recht gab und ihm
sogar Unterstützung der hessischen Ansprüche in Wien zusicherte, indem er zu⸗
gab, daß Hessen „viele Feinde habe, die gegen uns arbeiten.“
Während der Kurfürst auf Friedrichs dringenden Rat sich selbst auf
den Wiener Kongreß begab, reiste der Landgraf, nachdem er noch bei dem
Grafen Solms durchgesetzt hatte, daß das als Lazarett beschlagnahmte
Philippsruher Schloß! endlich geräumt wurde, im Oktober 1814 nach Cassel,
wo er in der oberen Königstraße ein in westfälischer Zeit von dem Maurer⸗
meister Christian Schön erbautes Haus (jetzt Nr. 2) erworben hatte,? dem
gegenüber Jusso w ihm einen Marstall für seine Pferde erbauen mußte.
Da auch die Familie des Prinzen Wilhelm zeitweise ihre Residenz in
Cassel nehmen wollte, überließ der Kurfürst auf den Wunsch des Landgrafen
ihr das dem neuen landgräflichen Palais gegenüberliegende Eckhaus an der
Fünffensterstraße.“ Dies Haus bezog die Prinzessin Charlotte mit ihren
beiden ältesten Kindern, während ihr Gemahl, Prinz Wilhelm, nur besuchs⸗
weise von Kopenhagen nach Cassel kam. Hier in diesem Hause wurden die
) Philippsruhe war zur Zeit der Fremdherrschaft im Besitz der Fürstin Pauline
Borghese, der Schwester Napoleons, als Geschenk ihres Bruderss gewesen, die es durch
einen Mr. Tavel aus Paris verwalten ließ. Seit 1875 befindet sich das Schloß, der
Geburtsort des letzten hessischen Kurfürsten, im Besitz der Landgrafen von Hessen, der
Nachkommen Landgraf Friedrichs.
2 Das Besitzrecht des Landgrafen wurde später von dem Dr. Garnier, dem ehem.
Leibarzt Jeromes, bestritten, welcher behauptete, das Haus 1813 von dem König gekauft
zu haben. Es kam deswegen im Jahre 1827 zu einem Prozeß.
3 Dies durch späteren Umbau verunstaltete Haus (jetzt Nr.5), das im zweiten Stock
sehr schöne Räume besaß, hat eine nicht uninteressante Geschichte. Ursprünglich Palais
des Ordens der Westfälischen Krone, wurde es später vom dänischen Gesandten gemietet
und diente eine Zeit lang dem flüchtigen König Gustav IV. von Schweden „Grafen
von Gottorp“ als Asyl. Später im Besitz des Schreinermeisters Siebrecht, wurde es von
dem österreichischen Gesandten v. Philippoberg und dem Komiker Birnbaum bewohnt
und war der Schauplatz des bekannten Liebesromans der Tochter Birnbaums mit dem
Prinzen Friedrich von Hanau.