28 Kurhessens Befreiung 1813
burg), aber Friedrich meinte: er sei zu alt um noch umzulernen, habe bisher
auch mit seinen legeren Manieren bien réussi. Der förmliche, steife Ton
des kurfürstlichen Hoflagers mißfiel ihm über alle Maßen und er fürchtete, bei
längerem Verweilen in Prag melancholisch zu werden. Trotzdem blieb er
über vier Wochen dort, fuhr dann im Juni noch einmal nach Wien und Baden
und kehrte dann nach einem Besuch in Karlsbad nach Hause zurück.
Uber die gleichzeitigen politischen Ereignisse enthalten seine Briefe nur
wenige versteckte Andeutungen, da er mit der Möglichkeit rechnen mußte,
daß die Briefe von den Franzosen „intercipirt“ würden den Optimismus
seines Bruders, der immer bestimmter und sicherer auf seine Restitution
rechnete, konnte der Landgraf nicht begreifen, namentlich seitdem der Waffen⸗
stillstand zwischen Napoleon und den verbündeten Russen und Preußen ver⸗
kündet worden war. Und doch sollte diesmal der Kurfürst recht behalten.
Mit dem Eintritt Oesterreichs in die Koalition gegen Napoleon war die
Niederlage des großen Korsen so gut wie entschieden. Vierzehn Tage nach der
Leipziger Schlacht war Kurhessen endgültig von der Franzosenherrschaft be⸗
freit. An dem großartigen Einzug seines Bruders in Cassel am 21. November
1813 nahm Landgraf Frie drich nicht teil, aber er konnte ihm von Frankfurt
aus in den ersten kritischen Tagen und Wochen der Restauration wertvolle
Dienste leisten durch Ubermittelung von Nachrichten und durch eifrige Ver⸗
handlungen, die er mit den durchreisenden Fürsten und Diplomaten im
hessischen Interesse führte. Besonders bemühte er sich darum, daß die kost⸗
spieligen und zwecklosen Arbeiten zur Wiederbefestigung von Hanau, wozu
die Bauern zehn Stunden im Umkreise der Stadt aufgeboten waren, im
März 1814 wieder eingestellt wurden. Ebenso verwandte er sich eifrig für
die Wiedergewinnung der von den Franzosen geraubten Kunstschätze.?
„Ce serait une perte immense pour Cassel, qui a toujours eu de la
célébriteẽ par ses curiosites.“ Als die neu aufgestellte kurhessische Armee
nach Frankreich abmarschierte, berichtete Friedrich dem Kurfürsten voller Stolz
von dem Aufsehen, das die Kurhessen durch ihr kriegerisches Aussehen und ihre
vortreffliche Haltung erregt hatten. Er gab seinem Bruder Ratschläge über
die in der Entschädigungsfrage zu tuenden Schritte und vermittelte mehr⸗
fach in dem Konflikt zwischen dem Kurfürsten und dem Zentralverwaltungs⸗
rat, wobei ihm sein gutes Verhältnis zu dem Freiherrn vom Stein, den
er in Prag kennen und schätzen gelernt hatte, zu statten kam. Der Kurfürst
MIn den letzten Prager Briefen sind Namen und Orte nur angedeutet, z. B. N-
Nathan Rothschild, der damals nach Prag zu dem Kurfürsten kam.
2 Uber ihren Nücktransvort vqgl. meinen Aufsatz in den Hess. Blättern 1919, Nr. 4337.