Reise nach Kopenhagen 1810
zosen nichts bekannt geworden zu sein; man ließ ihn unbehelligt, wenn er
auch in seinem Auftreten Zurückhaltung und Vorsicht zeigen mußte. Es kam
ihm dabei sehr zu gute, daß Dalber g, der 1810 Großherzog von Frank⸗
furt und damit sein „Souverän“ wurde, ihm wohlgewogen war und großes
Verständnis für seine Lage zeigte.
Nur die finanzielle Not drückte den Landgrafen mit seiner großen Familie
sehr. Vergebens hatte er brieflich versucht, von seinem Bruder, dem Kur⸗
fürsten, seine Apanage und sonstige Unterstützung zu erhalten. Als alle
brieflichen Vorstellungen nichts nützten, beschloß er im Juni 1810, ihn per⸗
sönlich in Prag aufzusuchen, wohin der Kurfürst 1808 von Holstein aus
weitergeflohen war. Er verband damit eine Reise nach Kopenhagen, wo sein
ältester Sohn Wilhelm sich eben mit der Prinzessin Charlotte, einer
Tochter des 1805 verstorbenen Erbprinzen Friedrich von Dänemark, verlobt
hatte. Die Reise, auf der ihn sein 20 jähriger Sohn Fritz begleitete, führte
über Gotha, wo man die alte Kurfürstin besuchte, die seit der Flucht aus
Cassel bei ihrer Tochter, der Herzogin Caroline lebte. In Hamburg besuchte
der Landgraf den 81 Jahre alten General Köller-Banner, der beim
Sturze Struensees eine Hauptrolle gespielt hatte, und in Luisenlund den
Landgrafen Carl, der recht alt geworden war. Bei der Landung auf Fünen
gab es großen Empfang durch dänische Offiziere. Der Landgraf wurde im
Dunkeln halb noch im Schlafe aus dem Reisewagen geholt, verlor dabei
noch einen Pantoffel, und —VD— daß man ihn mit
seinem Bruder Carl, dem Statthalter von Schleswig verwechselt hatte.
Nach dieser tragikomischen Episode, die Prinz Fritz mit Humor nach Hause
berichtete, wirkte der eigentliche Empfang in Kopenhagen am 17. Juli um
so herzlicher. Mit tiefer Rührung betrat Friedrich das dänische Königsschloß,
das er vor 42 Jahren zuletzt gesehen hatte. König Friedrich VI. er⸗
nannte ihn zum dänischen General und verlieh ihm den Elefantenorden?
Auch die Königin Marie zeigte sich als eine „excellente Nichte“, die den
alten Onkel mit der größten Liebenswürdigkeit umgab und alte Hanauer
Erinnerungen mit ihm auffrischte. Die enge Generalsuniform war freilich
unbequem, und der schwere Säbel genierte sehr, bis Prinz Wil hel m dem
Vater mit seinem leichteren Galasäbel aushalf. Bei der Bekanntschaft mit
der zukünftigen Schwiegertochter waren beide Teile anfangs etwas em—
barassẽ. Charlotte machte den Eindruck einer „petite jolie, fort in-
téressante, fort naturelle, mais nullement le ton du monde“. Da sie ab⸗
solut keine beautẽ war, konnte Friedrich zuerst eine gewisse Verwunderung nicht
unterdrücken, daß Wilhelm mit seinem charactère gay et léger sich in sie
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