Full text: Aus dem Leben des Landgrafen Friedrich von Hessen auf Rumpenheim: 1747-1837

Der Zusammenbruch Kurhessens 1806 
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Unsicherheit über die nächste Zukunft ruhte drückend auf den Bewohnern 
der Maingegend. In Frankfurt sprach man davon, daß die Stadt an Dalberg, 
an Baden, an Murat, an Isenburg oder gar an Augereau fallen sollte. Die 
meisten Bewohner wollten hessisch werden, wenn sie doch ihre Selbständigkeit 
verlieren sollten. Andererseits war man im Hanauischen in Sorge, daß der 
Kurfürst die Grafschaft etwa als Austauschobjekt abtreten würde, und 
Friedrich wurde nicht müde, den Kurfürsten davor zu warnen, da die Hanauer 
ihm trop attachés wären. In den Dörfern höre man die Leute sagen: 
„Wenn wir nur Hessen bleiben und unseren guten Kurfürsten behalten!“ 
Man wolle ihm sogar ein Monument errichten, zu dem jeder, selbst der 
Armste, beitragen wolle. Napoleon solle übrigens in München gesagt 
haben: qu'il savoit que Electeur de Hesse ne l'aimoit pas, mais 
qu'il avoit toujours agi conséquemment au lieu que d'autres avoient 
tergiversẽ. 
Es ist recht unwahrscheinlich, daß Napoleon wirklich dieses Lob aus—⸗ 
gesprochen hat; jedenfalls hatte der Kurfürst es nicht verdient. Gerade der 
Mangel an Konsequenz in der Politik, sein unschlüssiges Schwanken im 
entscheidenden Augenblick (das freilich durch sein berechtigtes Mißtrauen 
gegenüber der preußischen Schaukelpolitik bedingt war) brachte ihn zu Falle. 
Als im Herbst 1806 der Krieg ausbrach, war Landgraf Friedrich 
gerade zu Besuch in Cassel, und es schien beinahe, als ob der ehemalige 
Verteidiger von Maastricht doch noch einmal eine größere militärische Rolle 
spielen sollte. Als der Kurfürst sich endlich am 11. Oktober zur allgemeinen 
Mobilmachung entschloß, bot er seinem Bruder an, mit dem Gen.⸗Ltn. 
o.Wurmb zusammen den Oberbefehl über die hessischen Truppen zu über⸗ 
nehmen. Friedrich sagte zu; es kam aber nicht mehr zur formellen Ernennung. 
Die Nachricht von der preußischen Katastrophe von Jena konsternierte den 
Kurfürsten dermaßen, daß er alle Rüstungen einstellte, die Demobilisierung 
anbefahl und daher waffenlos dastand, als am J. Nov. 1806 die Franzosen 
Cassel überrumpelten und ihn zur Flucht zwangen. 
Mit bitterem Schmerz und Ingrimm erlebte Landgraf Friedrich in 
Cassel diesen furchtbaren Tag und den schimpflichen Zusammenbruch des 
alten Hessens. Am nächsten Tag schrieb er an seinen geflohenen Bruder einen 
langen Brief über seine Erlebnisse: „se vous vis repasser revenant du 
Leipziger Thor et nos yeux fondèrent en larmes en Vous voyant 
fuir aveco Votre Fils notre chère ville et patrie“. Um der Kurfürstin und 
des Landes willen habe er seine Abreise um einen Tag verschoben. „Je vis 
partir nos braves Hessois au désespoir, je vis nos gardes délaissés
	        
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