20 Der Landgrafentitel Tod des Fürsten v. Usingen
bühl bei Marburg, das seit dem Tode des letzten Inhabers, des 1796 ver—
storbenen Staatsministers Franz von Fleckenbühl gen. Bürgeln, frei geworden
war und einen jährlichen Ertrag von 1200 Talern einbrachte. Die Brüder
des Kurfürsten wurden in der Folgezeit! in den offiziellen Ranglisten als
„Landgrafen von Hessen-Cassel“ bezeichnet, was aber eigentlich
keine Rangerhöhung bedeuten konnte, da von jeher alle Glieder des fürstlichen
Hauses den Landgrafentitel geführt hatten, der nur im Laufe des 18. Jahr⸗
hunderts gegenüber dem aus Frankreich stammenden Prinzentitel außer
slbung gekommen war.
An der Hoftafel zu Cassel erhielt Lan dgraf Frie drich die Nachricht vom
Tode seines Schwiegervaters des Fürsten Carl Wil helm von Nassau⸗
Usingen (117. Mai 1803), die ihn und seine ganze Familie in tiefe Trauer
versetzte. Von nun an hörten die zahlreichen Besuche in Biebrich, an die sich
die schönsten Erinnerungen knüpften, auf; doch blieb das „Deutsche Haus“
zu Frankfurt, wohin die verwittwete Für stin von Usin gen zog, noch immer
ein Sammelpunkt ihrer Kinder und Enkel, bis auch sie der Tod ereilte
(8. Mai 1810), und nur noch ihre unverheiratete Tochter Lu ise in treuer, ver⸗
wandtschaftlicher Liebe ihrer Schwester zur Seite stand, sie in Erziehung und
Pflege der Kinder und Enkel unterstützte und die guten alten Traditionen
des usingischen Hauses in der Familie wach erhielt.
Nach den rauschenden Festtagen der Kurproklamation begannen sorgenvolle
Zeiten für Hessen und sein Fürstenhaus. Kurfürst Wilhelm hatte sich
nicht dazu verstehen können, dem neuen französischen Kaiser, „dem Wütherich
Buonaparte“, zu huldigen wie andre deutsche Fürsten, und Napoleon hatte ihm
das nicht vergessen. Am Main ging es unruhig her. Landgraf Friedrich
saß dort als aufmerksamer Beobachter und berichtete regelmäßig seinem
Bruder über die dortigen Vorgänge. Im Februar 1806 war er Augenzeuge
des unvermuteten Einrückens der Franzosen in Frankfurt, wo sie recht arro⸗
gant auftraten, aber die benachbarten hessischen Ortschaften schonten. Er riet
dem Kurfürsten dringend, doch die damals sich zeigende Neigung der Frank⸗
furter und anderer kleinen Reichsstände zum Anschluß an Kurhessen aus—⸗
zunutzen. Es war ja die Zeit der großen Verkoppelungen des deutschen
Territorialbesitzes, wobei die, die die Zeichen der Zeit verstanden, gute Ge⸗
schäfte machten. Dazu gehörte nun freilich der hessische Kurfürst nicht. Die
Zuerst im Hofkalender für 1806. Kurfürst Wilhelm notierte in seinem Notizkalender
zum 25 Febr. 1805: „Heute erhielten meine beiden Brüder den Titel Landgraffen“.
Neu war nur die Fassung „Landgtaf von Hessen! statt „Landgraf z u Hessen.“ Friedrich
war in Holland gewöhnlich als „le Prince Fréderic Landgrave de Hesse“ tituliert worden.