Belagerung von Maastricht 1794 15
Friedr ich durch Bauern und scheinbare Deserteure Nachrichten nach außen
zu bringen und ebensolche einzuholen, aber alle diese Versuche mißglückten.
Der Ring war fest geschlossen, man war gänzlich von der Außenwelt abge—
schnitten. Unter dem Vorwand, einen widerrechtlich gefangenen Jäger zu
reklamieren, sandte Friedrich am 14. Oktober den Kapitän Stephanini
an Kleber, der mit seinen Offizieren in Petersheim an der Tafel saß. Die
Nachrichten, die der Kapitän hier hörte und mitbrachte, waren nicht geeignet
die Stimmung der Besatzung zu heben. Herzogenbusch war gefallen, Clerfayt
geschlagen, Jülich genommen, Düsseldorf sollte niedergebrannt, Köln, Bonn
und Koblenz in französischen Händen sein! So stand es in der Lütticher Zei⸗
tung, die in Petersheim auf dem Tisch lag. Trotz dieser Hiobspost lehnte der
Gouverneur eine neue Aufforderung Klebers zur UÜbergabe ab. An seine
Frau schrieb er, daß er selber keine Hoffnung mehr habe; den Osterreichern
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Mut zu heben. Um sich selber aufzurichten, las er jeden Tag in Starcks An⸗
dachtsbuch und in der Bibel und schrieb seiner Frau die Stellen ab, die ihn
besonders stärkten!. Da die französische Kirche, die er sonst zu besuchen pflegte,
in ein Arsenal umgewandelt war, so hörte er die Predigt des Pfarrers Payen
im Mennonitenbetsal, „einer kleinen Kammer, wo sich der Rest unserer Gemeinde
in Zerknirschung zusammenfand und viele Tränen vergoß. Auch Payen
konnte seine Tränen nicht zurückhalten, es war eine rührende Feier. Auch
ich habe viel geweint, aber doch besser meine Fassung bewahrt, als die übrigen“.
Bald hörten aber auch diese Gottesdienste auf, da bei dem heftigen Bom⸗—
bardement sich niemand mehr auf die Straße wagte.
Friedrichs Aufgabe gegenüber den Osterreichern, die das zahlenmäßige Uber⸗
gewicht in der Garnison hatten und ihm doch unterstellt waren, war keine
leichte. Sein anfänglich gutes Verhältnis zu dem General v. Klebeck mußte
darunter leiden, daß dieser seine Truppen möglichst schonen wollte, darum
Ausfällen abgeneigt war und mehrfach Lust bezeigte, die Festung preiszu⸗
geben, um durch eine günstige Kapitulation wenigstens sein Korps für den
Kaiser zu retten. Es gab heftige Szenen im täglichen Kriegsrat, die den
Prinzen so angriffen, daß er ernstlich krank zu werden fürchtete und ein paar
Tage lang das Bett hüten mußte, ohne bei dem Geschützdonner Schlaf fin⸗
den zu können. Als sein Befinden sich besserte, ließ er sich wieder täglich
auf der Straße und auf den Wällen sehen, um durch sein Beispiel den sinken⸗
den Mut der Besatzung zu heben. Als das Gouvernementsgebäude zwei
Sein Lieblingslied in diesen Tagen war der Gellertsche Choral „Auf Gott und
nicht auf meinen Rat“.