Jugendzeit bis 1704
ihrem Gemahl getrennt lebende) Landgräfin Marie noch ängstlicher besorgt
war, die Söhne von einer etwaigen Berührung und Beeinflußung durch
ihren katholischen Vater fernzuhalten. Nur zweimal traf sich die Landgräfin
mit ihren Söhnen auf dänischem Boden, stand aber die übrige Zeit in un⸗
unterbrochenem lebhaften Briefwechsel mit ihnen. Von der großen Liebe und
Zärtlichkeit, womit sie besonders an „W hip“, ihrem Jüngsten, hing, zeugen
die Bände von Briefen, die der Sohn als ein Heiligtum zum Gedächtnis an
die „beste aller Mütter“ aufbewahrt hat. Whip war ja ihr Nestküchel, ihre
kleine „Schmeichelkatz“, und schon als Kind viel liebenswürdiger und zutun⸗
licher als namentlich der älteste Bruder. Sein „liebes Gesichtchen und sein
sanftes Gemüt“ stand der Mutter in der Ferne immer vor Augen, und auch
seine Erzieher konnten ihm nicht böse sein, wenn er nach einer Rüge einer
kindlichen Unart ihnen weinend um den Hals fiel und um Verzeihung bat.
Die beiden älteren Brüder galten für begabter. Keyserlingk schrieb darüber
einmal an die Landgräfin: Quant au prince Frédéric son tempérament
diffäre des deux autres, mais ils se fait, il ne veut pas être le dernier,
il me semble même que la compagnie de Mssgrs. ses frères lui sert
d4ꝰ é mulation et qu'elle le réveille et l'anime.
Prinz Fritz teilte bis zu seinem 15. Jahre ganz die Geschicke seiner Brüder,
auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, da der Verfasser in seinem
Buche! über Kurfürst Wilhelm J. die Jugendzeit der drei Hessenprinzen aus⸗
führlich behandelt hat. Zum erstenmale wurde Friedrich von seinen Brü⸗
dern getrennt, als diese auf Veranlassung der Landgräfin Ende 1762 auf
mehrere Monate nach Holland reisten, um den verwandten Hof der Oranier
zu besuchen. Friedrich hätte diese Reise gern mitgemacht, mußte aber unter
der Obhut Séverys in Kopenhagen bleiben, um sich auf seine Konfir⸗
mation vorzubereiten. Seine Brüder aber knüpften im Haag freundschaftliche Be⸗
ziehungen an, die gerade für den jüngsten später von Bedeutung werden sollten.
Während des Aufenthaltes der Prinzen Wilhelm und Carl in Holland
ging der Siebenjährige Krieg zu Ende. Hessen war von den Franzosen be⸗
freit, und die Landgräfin Marie konnte daran denken, tatsächlich die Re⸗
gierung der kleinen Grafschaft Hanau zu übernehmen, die Landgraf Wil⸗
helm VIII. in seinem Testament für seinen Enkel Wil helm als selbständige
Herrschaft bestimmt hatte, um ihn dem katholischen Vater gegenüber sicher
und auf eigene Füße zu stellen. Zwei Jahre lang führte die Landgräfin die
vormundschaftliche Regierung in Hanau, wo sie auch wohnen blieb, als ihr
7 Ph. Losch, Kurfürst Wilhelm J., Landgraf von Hessen. Marburg 1923.