76 Johann Reinhards Tod 1736 Teilung des Landes
Neffen abgeschlossen hatte. Die große Landgraͤfin war ja als Erb⸗
tochter des Grafen Philipp Ludwigs II. die letzte des hanau⸗ muͤnzen⸗
berger Hauses und zugleich die Witwe des tapferen Landgrafen Wil⸗
helms V., dem Hanau genau vor 100 Jahren (16036) seine Befreiung
von der langwierigen Bestuͤrmung durch die Kaiserlichen unter dem
Generalfeldwachtmeister Lamboy verdankte, eine Rettungstat, die bis auf
den heutigen Tag noch im Gedaͤchtnis des Hanauer Volkes fortlebt.
Hessen⸗Darmstadt aber beanspruchte die lichtenbergische Erbschaft, da sein
Erbprinz, nachmals Landgraf Ludwig VIII., der Schwiegersohn Jo⸗
hann Reinhards gewesen war. Am 28. Maͤrz 1736, abends /.7 Uhr
erlosch die letzte Lebensslamme des 70 jaͤhrigen Greises, und sofort er—
folgte die Besitzergreifung im Namen der beiden Landgrafen, die als—
bald in Streit um das reiche Erbe gerieten. Von beiden Seiten wurde
Militaͤr aufgeboten, und es gab sogar blutige Koͤpfe, als in dem strit—
tigen Babenhausen casseler und darmstaͤdter Truppen zugleich einruͤckten;
denn dieses urspruͤnglich muͤnzenbergische Streitobjekt war zuletzt in lichten⸗
bergischen Haͤnden gewesen. Als dritter Erbanwaͤrter erschien Kur⸗
mainz auf dem Plane und ließ seine Truppen in das „Freigericht“
einruͤcken, das bisher als gemeinschaftlicher Besitz betrachtet war. Mit
Mainz kam 1788 ein Pazifikationsrezeß zustande, der eine Teilung des
Freigerichtes zur Folge hatte; Mainz erhielt Alzenau, Hessen⸗Cassel be—
hielt Somborn. Der Streit mit Darmstadt um Babenhausen zog sich
aber noch viele Jahre hin, entfesselte eine reiche polemische Literatur und
wurde erst unter der Regierung des Erbprinzen Wilhelm 1771 durch
einen Vergleich endguͤltig beigelegt.
So war das Erbe der Hanauer Grafen im wesentlichen unter die
beiden Linien des hessischen Fuͤrstenhauses verteilt Hessen-Darm—
stadt erhielt mit Lichtenberg die etwas groͤßere Haͤlfte, etwa 24
Quadratmeilen mit 9 Staͤdten, 147 Doͤrfern und 60000 Einwohnern,
die aber zum groͤßten Teil unter franzoͤsischer Oberhoheit standen.
Hanau-Munzenberg, das an Wilhelm VIII. von Hessen—
Cassel fiel, zaͤhlte 10 Staͤdte, 116 Doͤrfer mit etwas uͤber 50000
Einwohnern auf einem Areal von etwa 20 Quadratmeilen. Es war
kein zusammenhaͤngendes Gebiet, vielmehr recht zerrissen und durch vieler
Herren Laͤnder von einander geschieden. Die meisten Aemter stießen an
kurmainzisches Gebiet; andere Grenznachbarn waren Fulda, Hessen—
Darmstadt, Hessen-Homburg, die Grafen von Isenburg, SolmsZ'und
Stolberg, die Ganerben der Burg Friedberg und die Reichsstadt Frank⸗
furt. An der oberen Kinzig lagen die Aemter Steinau und Schluͤchtern.