72 Reise der Neuvermaͤhlten nach Hanau 1764
enden wollten, so lange sich das junge Paar in Seeland, Fuͤnen und
Schleswig⸗Holstein auf daͤnischem Boden befand, und, da sie in erster Linie
der Tochter des Koͤnigs galten, die Eitelkeit des Erbprinzen empfind—
lich verletzten, der sich dabei nicht wie der Gemahl sondern wie der
premier courtisan der Prinzessin behandelt fuͤhlte. Wilhelm atmete
auf, als man hinter Altona die Grenze erreichte und das stattliche
daͤnische Gefolge, das der Koͤnig seiner Tochter mitgegeben hatte, end—
lich umkehrte. Sofort hoͤrte die daͤnische Etikette auf, alles wurde „auf
deutschen Fuß“ gesetzt, und die inzwischen in Hamburg eingetroffenen
Hofdamen v. Muͤllenheim und v. Eschwege uͤbernahmen nun den
Ehrendienst bei der Prinzessin. Auch Prinz Fritz und Sévery, der
zum Oberhofmeister der Erbprinzessin ernannt worden war, machten die
Reise nach Hanau mit, wo Carl schon seit einigen Wochen weilte, um
die Vorbereitungen fuͤr den Empfang des Bruders und der Schwaͤgerin
zu leiten. Am 7. Oktober traf das junge Paar, das wieder, um das
hessische Gebiet zu meiden, den Umweg uͤber Eisenach gemacht haͤtte,
in Steinau ein. An der Landesgrenze bei Schluͤchtern empfing sie ein
Jaͤgerkorps, und unter Trompeten⸗ und Hoͤrnerschall erfolgte der Einzug
in Steinau, wo die Landgraͤfin Marie am naͤchsten Tage zur Be—
gruͤßung eintraf.
Nach fuͤmftaͤgiger Rast, waͤhrend der alle Einzelheiten der Re—
gierungsuͤbernahme endguͤltig festgesetzt wurden, erfolgte dann am Frei⸗
tag, den 12. Oktober, der feierliche Einzug in die Landeshauptstadt.
„Treue, Liebe und Ehrfurcht hatten an diesem erhabenen Tage alles
in freudige Bewegung gesetzt“ schrieb die Hanauer Europaͤische Zeitung
in ihrem ausfuͤhrlichen Bericht uͤber die glanzvolle Feier. Bei Nieder—
Rodenbach erwarteten saͤmtliche Schultheißen des Amtes Buͤcherthal
unter Fuͤhrung des Amtmannes Hassenpflug (des Großvaters des
bekannten Ministers) die Herrschaften. Die Hanauer selbst hatten drei
reich uniformierte berittene Empfangskorps aufgeboten, die unter Trom—
peten⸗ und Paukenschall zum Nuͤrnberger Tor hinauszogen. Den Zug
eroͤffnete die Reutterei der Alt- und Vorstadt in goldbortierten Roͤcken,
xoten Westen und goldenen Kokardenhuͤten mit Tressen unter Fuͤhrung
ihres Chefs Jonas Bauscher. Dann folgte eine von der Neustadt
gestellte Dragonerkompagnie unter Andr. Ludw. Jassoy, 34 Buͤrger
in blauen, mit Gold besetzten Uniformen. Den Beschluß machte die „von
einer Gesellschaft von Freyleuten errichtete Compagnie Freiwilliger zu
Pferde“, die sich aus in Hanau weilenden Ortsfremden, z. T. Franzosen
aus Paris und Nimes, gebildet hatte. „Dieses niedliche Corps in