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Karolinens Wesen Vermaͤhlung 1764
schon damals wie bis zur jetzigen Stunde keinen ausgesprochenen Ge—
schmack fuͤr irgend etwas ... Ich liebte sie trotz alledem, das kann ich
versichern, und wenn ich auch unzufrieden war uͤber ihre Kaͤlte und ihr
verlegenes Wesen, so bildete ich mir doch ein, daß mit der Zeit doch
alles gut werden wuͤrde ... Das sind sehr traurige Reflexionen, aber
ich schulde sie der Wahrheit, derselben Wahrheit, mit der ich auch meine
zahllosen Verfehlungen eingestehen werde, die aus alledem entstanden, ohne
daß ich mich deshalb damit selber entschuldigen will.“
Seitdem Graf Moltke dem Prinzen die Mitteilung gemacht hatte,
daß die Prinzessin noch nicht heiratsfaͤhig sei, spielle Wil helm die un⸗
gluͤckliche Rolle des auf diesen Zeitpunkt harrenden Braͤutigams. Wieder
trat um diese Zeit die Versuchung an ihn heran, in daͤnische Dienste zu
treten. Die Hanauer Verhaͤltnisse waren ihm verleidet, und die Aussicht,
daͤnischer General und Statthalter in Holstein zu werden, hatte etwas
sehr Verlockendes. Aber das der Mutter gegebene Versprechen band ihn,
und statt seinen soldatischen Neigungen nachgeben zu koͤnnen, sah er sich
verurteilt, noch fast ein ganzes Jahr lang die zweifelhaften Freuden des
Kopenhager und Fredensborger Hoflebens durchzukosten. Er mußte
sich sogar gefallen lassen, daß seine Mutter sich noch brieflich uͤber den
„Gentleman Bylly“ lustig machte, wenn er ihr von seinem Mißmut bei
den endlosen, langweiligen Diners unter einer Gesellschaft von„Geschoͤpfen
wie in einer Arche Noah“ etwas vorjammerte.
Am 10. Juli 17604 wurde Caroline siebzehn Jahre alt, und bald dar⸗
auf konnte Graf Moltke ihrem Braͤutigam endlich mitteilen, daß kein
Grund mehr vorhanden sei, die Hochzeit laͤnger zu verschieben. Ende
August siedelte der ganze Hof von Fredensborg nach Kopenhagen uͤber,
und am 1. September fand die Vermaͤhlung im Christiansborger
Schlosse durch den Hofprediger Quist statt, der seiner Kopulationsrede
den von Caroline gewaͤhlten Text Ps. 67, 2 „Gott sei uns gnaͤdig und
segne uns, er lasse uns sein Antlitz leuchten“ zu Grunde legte. Die
eigentliche Festpredigt hielt Bischof Block am naͤchsten Tage, dem Sonn⸗
tage, worauf die Gemeinde das Tedeum anstimmte. Die Festlichkeiten
dauerten vier Tage und wurden durch eine brillante Illumination des
Schlosses, seiner ganzen Umgebung und des Hafens gekroͤnt. Dann
kehrte der Hof nach Fredensborg zuruͤck, wo auch das junge Paar
seine Flitterwochen verlebte. Leider nicht in dem seligen Gluͤck, das
Wilhelm von der endguͤltigen Vereinigung mit Caroline erhofft und
erwartet hatte. Die sinnliche Begehrlichkeit des jungen Gemahls stieß
die Prinzessin ab; sie wurde ihm noch fremder als zuvor, suchte das