Wilhelm nach Kopenhagen 1763 Karolinens Veraͤnderung 69
gangen und fuͤhlte sich wie das fuͤnfte Rad am Wagen. Er konnte
es in Hanau nicht mehr aushalten und bat seine Mutter, nach Kopen—
hagen zuruͤckkehren und heiraten zu duͤrfen. Marie wollte zuerst nichts
davon wissen, aber als auf Wilhelms Veranlassung der Koͤnig von
Daͤnemark und Graf Bernstorff sich an sie wandten, gab sie schließlich
nach unter der Bedingung, daß Wilhelm sofort nach der Hochzeit wieder
nach Hanau zuruͤckkehre.
Carl sollte ihn begleiten, aber da er krank wurde, wartete der
Erbprinz nicht laͤnger und brach am 4. November 1763 von Hanau
auf. Nur der Kammerjunker v. Gall war in seiner Gesellschaft, Mal s⸗
burg, der Ende Juli unverrichteter Sache aus London zuruͤckgekehrt
war (vgl. S. 62), reiste durch Hessen und schloß sich erst in Einbeck an.
Die Landgraͤfin hatte naͤmlich nicht gewuͤnscht, daß Wilhelm uͤber
Cassel reise. Die kurze Strecke zwischen Huͤnfeld und Eisenach, wo er
das Terxritorium seines Vaters passierte, mußte er, um unerkannt zu
bleiben, in scharfem Ritte zu Pferde zuruͤcklegen. Trotz der schlechten
Wege und mehrfacher Radbruͤche kam man schon nach 19 Tagen am
23. November gluͤcklich in Kopenhagen an.
Hier erlebte der Prinz eine starke Enttaͤuschung. Caroline war
nicht wieder zu erkennen und empfing den Verlobten, den sie seit uͤber
Jahresfrist nicht gesehn hatte, auffallend kuͤhl. Wilhelm schob die
Schuld daran auf den ihm schaͤdlichen Einfluß der Koͤnigin Juliane
und des Fraͤuleins v. Moltke, gegen den der in seiner Familie macht—
lose Koͤnig und die dem Prinzen sehr zugetane Koͤniginmutter vergebens
ankaͤmpften. Wahrscheinlicher ist, daß die zuruͤckgebliebene koͤrperliche Ent—
wicklung Carolinens dabei eine Rolle spielte, die auch zu Wilhelms Leid⸗
wesen einen Aufschub der Hochzeit bedingte. Die Prinzessin befand sich
noch immer in dem kritischen Stadium des Uebergangs vom Maͤdchen
zur Jungfrau. Sie war eine sehr sensible Natur, aber ohne jede Leiden⸗
schaftlichkeit, und das stuͤrmische Draͤngen ihres Braͤutigams schien sie
mehr abzustoßen als anzuziehn, waͤhrend er es nicht vertragen konnte,
daß sie zuweilen die koͤnigliche Prinzessin ihm gegenuͤber herauskehrte.
„FIrl. v. Moltke hatte ihr zu sehr eingeschaͤrft“, schrieb Wilhelm spaͤter,
„welche Ehre fuͤr mich unsre Verbindung bedeute, hatte uͤberhaupt mehr
hren Sinn fuͤr Äußerlichkeiten als ihre geistige Entwicklung gepflegt.
Haͤtte ich damals nur etwas Erfahrung gehabt, so haͤtte ich meine Hoch⸗
zeit gewiß nicht als den Gipfel der Gluͤckseligkeit herbeigesehnt. Es
fehlte ihr schon damals an der Hauptsache, an einem wirklichen Cha⸗
cakter. Indifferent allen nur moͤglichen Dingen gegenuͤber, zeigte sie