Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

ß22 
Ende des Siebenjaͤhrigen Krieges 
konnte ihn uͤberhaupt das Leben der Haager Gesellschaft, die die Nacht 
zum Tage machte, nicht befriedigen. Er war von jeher ein Fruͤh— 
aufsteher gewesen und sehnte sich nach einer geregelten Taͤtigkeit. 
Dazu kamen die Briefe aus Kopenhagen mit zaͤrtlichen Sehnsuchts⸗ 
wuͤnschen, die in ihm das Heimweh nach Daͤnemark und nach seiner 
Braut weckten, so daß er der beabsichtigten Weiterreise nach England nicht 
mit allzu großer Freude entgegensah. Sie sollte ihm auch erspart werden. 
Der langjaͤhrige Kampf zwischen Frankreich und England haͤtte in— 
wischen seinen Abschluß gefunden. In denselben Tagen, da die hessi— 
schen Prinzen im Haag eintrafen, wurde am 15. November 1762 
auf blutgetraͤnktem hessischen Boden an der Bruͤcker Muͤhle bei 
Amoͤneburg der Waffenstillstand zwischen dem Herzog Ferdinand von 
Braunschweig und den franzoͤsischen Marschaͤllen d'Estrées und Soubise 
abgeschlossen, der den Feindseligkeiten im westlichen Deutschland ein 
Ende machte. Die naͤheren Einzelheiten erfuhren die hessischen Prinzen 
durch ihren alten Erzieher Wittorff, der ploͤtzlich am 29. November 
m Haag erschien, um als Gesandter des Landgrafen in England die 
hessischen Kriegsschadenersatzanspruͤche zu vertreten. Das arme Hessen⸗ 
land hatte in dem langen Kriege unsaͤgliches Elend erfahren, seine 
Fluren waren bei den ewigen Truppendurchzuͤgen veroͤdet und verwuͤstet, 
seine Doͤrfer vielfach verlassen, und es schien nicht mehr als recht und 
billig, von England, fuͤr dessen Interessen das Land gelitten und seine 
Soͤhne geblutet hatten, eine Entschaͤdigung zu verlangen, die auch nach 
laͤngeren Verhandlungen in einer Hoͤhe von 150000 Pfund Sterling 
bewilligt wurde. Nicht so gluͤcklich mit der Geltendmachung gleicher 
Anspruͤche fuͤr das Hanauer Land war die Landgraͤfin Maxrie. Als 
die Franzosen Hanau besetzten und brandschatzten, hatte sie sich darauf 
berufen, daß die von Hessen unabhaͤngige Grafschaft an dem Kriege 
ja gar nicht beteiligt sei, und mußte nun erleben, daß ihr Spezial— 
gesandter Legationsrat v. d. Malsburg mit derselben Begruͤndung 
von den Englaͤndern abgewiesen wurde. Malsburg trat seine Mission 
vom Haag nach London auch erst am 28. Februar 1763 an, nachdem 
Ledderhose bereits im Laufe des Januar nach England gefahren 
war, um im Auftrage der Landgraͤfin die dortigen Wohlfahrtsein⸗ 
richtungen, Schulen und Waisenhaͤuser zu studieren, da Marie ihm 
die Verwaltung dieses Ressorts in der Hanauer Regierung zugedacht 
hatte. Der Erbprinz empfand den Abgang dieser beiden juͤngeren 
Herren um so schmerzlicher, als er jetzt nur noch den alten Keyserlingk 
in seiner Suite hatte.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.