Haager Gesellschaftsleben St. Georgsfest
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Mit offenen Augen und in vollen Zuͤgen genoß Wilhelm die
Annehmlichkeiten des Haager Aufenthalts, die durch die herzliche Freund⸗
schaft des Weilburger Fuͤrstenpaares noch gesteigert wurden, dagegen
waren die eigentlichen gesellschaftlichen Freuden des dortigen Winter⸗
lebens weniger nach seinem Geschmack. Als bevorzugte Gaͤste und
Verwandte des erbstatthalterlichen Hofes waren die Prinzen gezwungen,
an den uͤberaus zahlreichen Assemblees, Baͤllen und sonstigen Ver—⸗
gnuͤgungen der vornehmen Gesellschaft, besonders des englischen Ge—
sandten Sir Joseph PYorke, teilzunehmen, und durchwachte Naͤchte,
nach denen man bis in den Tag hinein schlief, gehoͤrten zur Regel.
Nicht minder anstrengend war der Stiftungstag der St. Georgs—
ritter am 1. Maͤrz 1763, wobei die hessischen Prinzen ein echt
hollaͤndisches Volksfest kennen lernen und mitfeiern konnten. Die uralte
Bruͤderschaft der den Heil. Georg als ihren Schutzpatron verehrenden
Haager Bogenschuͤtzen, hatte ihren alten Charakter freilich laͤngst einge—
buͤßt, seitdem Wilhelm III. sich zu ihrem Ordensmeister gemacht und
1685 zuerst Ritter geschlagen hatte. Im Jahre 1763 wollte der junge
Erbstatthalter diese von seinem großen Vorgaͤnger eingefuͤhrte Zeremonie
zum ersten Male wiederholen. Die Vorbereitungen fingen schon mehrere
Tage vorher an und waren fuͤr die Prinzen deshalb laͤstig, weil sie
aus ihren Raͤumen im „alten Schuͤtzenhause“, dem traditionellen Fest⸗
lokal der Georgsbruͤder, umquartiert werden mußten. Durch Heraus⸗
nahme von leichten Seitenwaͤnden wurde ein großer Festsaal fuͤr —300
Ritter geschaffen, die an der Feier teilnahmen. Die Prinzen Wilhelm
und Carl sowie der General v. Keyserlingk wurden dabei als
neue Ritter in die Bruͤderschaft aufgenommen und mußten dafuͤr einen
hohen Betrag (Wilhelm 1000 fl. Carl 800 fl.) fuͤr die Ordenskasse,
allerdings erst nach ihrem Tode zahlbar, zeichnen. Am Abend fand
ein großartiges Feuerwerk auf dem Tournooiveld statt, das die bevor⸗
zugten Teilnehmer mit dem Prinzen von Oranien von Wilhelms
Zimmern aus beobachteten. Das Ganze endete mit einem bis tief in
die Nacht waͤhrenden Gelage, das einem Teniers als Modell fuͤr seine
hollaͤndischen Sittenbilder haͤtte dienen koͤnnen. Die alten Mynheers
waren nachher so betrunken, daß sie am Ende mit ihren Domestiken,
die sie abholen sollten, gemeinsam unter den Tischen lagen.
Fuͤr Wilhelm, der Zeit seines Lebens ein maͤßiger Esser und
Trinker blieb und das Rauchen verabscheute, war dieses Fest, dessen
Nachwehen noch tagelang an dem Wein⸗ und Tabaksdunst im Hause
zu merken waren, mehr interessant als erfreulich. Auf die Dauer