Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Hollaͤndische Reise Ankunft im Haag 59 
schen Oldenburg) waren die Prinzen die Gaͤste des Statthalters 
Grafen v. Lynar und wohnten bei ihm im koͤniglichen Schlosse. Auf 
fuͤrchterlichen Wegen durch die Auslaͤufer des Burtanger Moors, 
in denen die Raͤder stellenweise versanken und die Wagen nur mit 
Muͤhe wieder flott gemacht werden konnten, erreichten sie am 4. 
November die Reichsgrenze und schliefen in dem hollaͤndischen Fort 
Nienschanz zum ersten Male auf dem Boden der Republik der Ver—⸗ 
einigten Niederlande. Da in Groningen die regelmaͤßige Postver— 
bindung aufhoͤrte, mußten sie sich hier eigene Pferde kaufen, die hinter 
dieser Stadt den Kavalierwagen umwarfen, wobei sich die Insassen 
arg zerschunden. Malsburg und Ledderhose mußten aus dem 
Wagenfenster gezogen werden, um die Fuhre wieder in Gang zu 
bringen. Ein anderer Unfall, der leicht ernstere Folgen haͤtte haben 
koͤnnen, ereignete sich hinter Zwolle. In der nebeligen Morgendaͤmmerung, 
waͤhrend Wilhelm schlief, stieg Carl, der mit ihm zusammen fuhr, 
aus dem Wagen und fiel auf einmal bis an den Hals in eine Gracht, 
die er in der Dunkelheit fuͤr den Fahrdamm angesehen hatte. Ledder— 
hose sprang hinter ihm her und brachte ihn mit eigner Lebensgefahr 
wieder ins Trockene. Ohne weitere Faͤhrlichkeiten kamen die Reisenden 
uͤber Utrecht und Leiden nach fast 14taͤgiger Fahrt am 12. November 
1762 spaͤt abends im Haag an. Ein Bruder Verschuers, der als 
Major bei den hollaͤndischen Gardedragonern stand, empfing die Reisen⸗ 
den als lokalkundiger Kicerone und brachte sie in ihr Quartier. Im 
Vieux Doele, dem „Alten Schuͤtzenhause“ am Tournooiveld in der 
schoͤnsten Lage der Stadt, das sich aus dem alten Versammlungslokal 
der St. Georgsbruͤderschaft zu einem renommierten Gasthof, einem der 
aͤltesten Europas, umgewandelt hatte, fanden sie eine vortreffliche Unter⸗ 
kunft. 
General v. Keyserlingk uͤbernahm es, die Ankunft der Prinzen 
im nahen Schlosse zu melden, worauf der junge noch nicht 15 jaͤhrige 
Erbstatthalter Wilhelm V. von Oranien?) es sich nicht nehmen 
ließ, seinen hessischen Vettern den ersten Besuch zu machen. Er erschien 
in Begleitung eines etwa 40 jaͤhrigen Herrn, den die Prinzen fuͤr einen 
einfachen Kavalier des Erbstatthalters hielten. Es war aber der Vor⸗ 
) Erst 1773 wurden die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst gegen den 
Jjottorpschen Anteil in Holstein unter Erbebung zu einem Herzogtum an die russischen 
Gottorper ausgetauscht. 
2) Wilhelm V. von Nassau⸗Dietz-Oranien 8. Maͤrz 1748 7* 9. April 1806, Sohn 
des Erbstatthalters Wilhelms IV. (7 1751) und der Prinzessin Anna von England. 
Er heiratete spaͤter Friederike, die Tochter des Prinzen August Wilhelm von Preußen, 
and wurde der Vater des ersten Koͤnias der Niederlande Wilhelms J.
	        
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