Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

58 Rendezvous in Hitfeld 1702 Aufbruch nach Holland 
nachdem man sich ausgesprochen hatte, schwand die Bitterkeit, die nur 
noch in dem Groll Wilhelms gegen die ebenfalls anwesenden Berater 
seiner Mutter, Hein und Verschuer, zum Ausdruck kam. Alle Einzel⸗ 
heiten des Reiseplans wurden nun gruͤndlich eroͤrtert. Fuͤr die Land 
graͤfin war es ein erwuͤnschter Gedanke, daß Wilhelm auf seiner Reise 
ihre naͤchsten Verwandten kennen lernen wuͤrde. Ihre Schwester Anna 
war mit dem Erbstatthalter Wilhelm IV. von Oranien vermaͤhlt gewesen, 
allerdings bereits vor drei Jahren als Witwe gestorben. Der Erbprinz 
traf aber am oranischen Hofe in dem jetzigen jungen Erbstatthalter Wil⸗ 
helm V. seinen leiblichen Vetter!)) und dessen Schwester, die mit dem 
Fuͤrsten Carl von Nassau⸗Weilburg verheiratet war. Vom Haag sollte 
Wilhelm dann die Reise nach London fortsetzen und seinem koͤniglichen 
Vetter, Georg III. dem Neffen Mariens, seine Aufwartung machen, um 
sich die Teilnahme und den Beistand des Koͤnigs fuͤr seine zukuͤnftige 
Regierung in Hanau und Hessen zu sichern. 
Die Landgraͤfin wollte die Zusammenkunft auch dazu benutzen, ihrem 
Sohne einen Einblick in die Regierungsgeschaͤfte seines noch von den Franzosen 
besetzten Hanauer Landes zu gewaͤhren, und Wilhelm mußte deshalb an 
den Regentschaftsratssitzungen teilnehmen, die sie zusammen mit Hein 
und dem Legationsrat v. d. Malsburg in Hitfeld abhielt. Aber der 
19 jaͤhrige Prinz, der den Abschiedsschmerz von der Geliebten noch nicht 
uͤberwunden hatte, zeigte nicht viel Interesse fuͤr die ihm fremden und 
voͤllig neuen Geschaͤfte des Landes, dessen Boden er noch nie betreten 
hatte. 
Am 31. Oktober reiste die Landgraͤfin nach Celle zuruͤck, und am 
gleichen Tage brachen auch ihre Soͤhne auf. 
Die Reisegesellschaft bestand aus den beiden Prinzen, Keyserlingk, 
Malsburg, Ledderhose, Verschuer, dem Sekretaͤr Ries, 
Hofmeister Koch, einem Kammerdiener, einem Mundkoch und 8 Lakaien. 
Ihre erste Station war Bremen, wo der alte hessische Resident v. 
Grovermann die Prinzen empfing und ihnen die Sehenswuͤrdigkeiten 
der Stadt, besonders das Rathaus und die Gruͤfte mit den konser⸗ 
bierten Leichen zeigte. Da die gewoͤhnliche Route nach Holland uͤber 
Westfalen durch die Franzosen gesperrt war, die Teile des Osnabruͤcki— 
schen und Muͤnsterlandes besetzt hielten, so mußte man fuͤr die Weiter— 
reise den beschwerlichen Weg durch die Sumpf- und Moorlandschaften 
Oldenburgs und Ostfrieslands waͤhlen. In dem damals noch daͤni⸗ 
1) Als Enkel der (damals noch lebenden) Prinzessin Marie Louise von Hessen, 
Witwe Joh. Wilh. Frisos von Oranien, war er doppelt verwandt mit dem Erbprinzen.
	        
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