Wilhelms Unlust Reisevorbereitungen 57
sich bei ihr fuͤr den Schwiegersohn verwenden, und er selber sandte seiner
Mutter ein ausfuͤhrliches Memorandum mit seinen Gegengruͤnden. Er
empfand es besonders hart, daß man gerade jetzt dieses Opfer von ihm
verlange, nachdem Marie ihm fruͤher seinen brennenden Wunsch, auf
Reisen und in Feldzuͤgen seinen Gesichtskreis erweitern zu duͤrfen, mehr⸗
fach abgeschlagen hatte, und berief sich schließlich nachdruͤcklichst auf sein
durch die Muͤndigkeit erlangtes Selbstbestimmungsrecht. Aber alles das
half nichts. Die Landgraͤfin, die den Prinzen in seinen Kinderjahren
oft wie einen Erwachsenen behandelt hatte, ließ jetzt seine Muͤndigkeit
nicht gelten, und er mußte sich widerstrebend fuͤgen. „Das war die
Quelle all meines kuͤnftigen Ungluͤcks, des Zwiespalts mit meiner Mutter
und alles dessen, was meine Ehe so ungluͤcklich gemacht hat. Wenn ich
damals bis zu meiner Hochzeit in Daͤnemark geblieben waͤre, dann haͤtte
meine Liebe zur Prinzessin die festeste Grundlage fuͤr unsere Zukunft ab⸗
gegeben. Ein Jahr spaͤter — da hatte meine lange Abwesenheit alles
von Grund auf veraͤndert.“
Als Begleiter ihres Sohnes hatte die Landgraͤfin den General
d. Keyserlingk und den Legationsrat Gottlob von der Malsburg,
den ehemaligen Studienfreund der Prinzen aus ihrer Goͤttinger Zeit
pgl. S. 17) bestimmt. Daß auch sein Lieblingsbruder Carl die Reise
mitmachen sollte, war fuͤr Wilhelm ein großer Trost. Alles weitere sollte
muͤndlich besprochen werden, wozu die Landgraͤfin mit ihren Soͤhnen ein
Rendezvous bei Harburg verabredete.
Nach einem schmerzlichen Abschied von Carolinen und der koͤnigl.
Familie reiste Wilhelm am 12. Oktober 1762 von Fredensborg ab. Bis
Rothschild begleitete ihn sein Bruder Friedrich, der dann allein
unter Séverys Obhut nach Kopenhagen zuruͤckkehrte, um sich der
Vorbereitung zu seiner Konfiemation zu widmen. In Apenrade, der
neuen Garnison Carls, wurde Wilhelm mit Jubel von dem juͤngeren
Bruder empfangen, in aller Eile wurden die Koffer gepackt, und
beide reisten nun in Begleitung von Carls Adjutanten, Oberstleutnant
d. Verschuer) weiter. Marie war schon seit acht Tagen in Hitfeld,
als die Soͤhne am 24. Oktober zu Pferde dort eintrafen. Zum ersten
Male war das Wiedersehn der Landgraͤfin mit ihrem aͤltesten Sohne
nfolge der vorhergegangenen Korrespondenz nicht ganz ungetruͤbt, aber
1) Georg v. Verschuer (wohl ein Vetter des Kammerherren der Erbprinzessin?) * 1725 zu
Namur als Sohn des dortigen Kommandanten Generals Phil. Wilh. v. V. war 1759 als
zessischer Major in der Suite des Erbprinzen von Braunschweig gewesen. —15. Sept.
1789 zu Rodenberg.