56 Hffentliche Verlobung 1702 Wilhelm soll reisen
auf, daß die oͤffentliche Erklaͤrung der Verlobung endlich stattfinde.!)
Am 9. September 1762 durfte er denn auch in Gegenwart des Koͤnigs,
der beiden Koͤniginnen und saͤmtlicher Staatsminister seiner Braut den
Verlobungsring an den Finger stecken, den seine Mutter ihm zu diesem
Zwecke geschickt hatte. Die oͤffentliche Erklaͤrung loͤste die strengen Fesseln
der Etikette. Von nun brachte Wilhelm taͤglich die Nachmittage in
Gesellschaft seiner Braut und ihrer Schwester Luise zu, wobei nur die
oͤftere Gegenwart der alten Moltke stoͤrend wirkte. Das Verhaͤltnis der
beiden Verlobten wurde schnell ein recht inniges. Aus dem weiberscheuen
Juͤngling war auf einmal ein zaͤrtlicher Braͤutigam geworden, der nicht
einmal Zeit fand, die Wißbegier der Mutter uͤber sein neues Leben ge⸗
nuͤgend zu befriedigen. „Ich liebte meine Zukuͤnftige, das kann ich wohl
sagen“, so schrieb er spaͤter, „und auch sie schien mir sehr zugethan, so⸗
daß ich ein goldenes Zeitalter der Zukunft vor mir zu sehen glaubte.“
Mit muͤtterlicher Teilnahme hatte die Landgraͤfin die erwachte
Neigung ihres Sohnes zu seiner Braut beobachtet. Sie neckte ihn nach
ihrer Art ob seiner Verliebtheit, die sie sich bei seinem steifen Wesen gar
nicht recht vorstellen konnte. Aber in ihre Genugtuung mischte sich auch
ein Fuͤnkchen muͤtterlicher Eifersucht. „Ich verlange, daß Du Deine alte
Mama nicht vergessen moͤgest“ schrieb sie ihm, „ich gebe Deiner Schoͤnen
meinen Platz nicht, noch will ich es, bis ihr verheiratet seid.“ Es war
wohl nicht dieser Grund, der sie auf einmal veranlaßte, ihren Sohn aus
seinem Liebeshimmel zu reißen und ihn nach einer kurzen gluͤcklichen
Zeit von der eben erst gewonnenen Braut wieder zu entfernen. Marie
war der sehr richtigen Ansicht, daß der Erbprinz am daͤnischen Hofe
doch noch recht wenig Welt⸗ und Lebenserfahrung gesammelt habe und,
daß er, um seinen Blick zu erweitern, vor der Hochzeit sich noch etwas
mehr in der Welt umsehen muͤsse. Darum sollte er fuͤr einige Zeit nach
Holland und England gehn, die verwandten Hoͤfe im Haag und in Lon⸗
don besuchen und hier Beziehungen anknuͤpfen, die ihm fuͤr seine zukuͤnftige
Regierungszeit von Nutzen sein konnten.
Wilhelm war sehr wenig erfreut uͤber die Zumutung, sich jetzt von
seiner Braut zu trennen. Er witterte dahinter die Raͤnke der Ratgeber
seiner Mutter, Hein und Verschuer, und setzte alle Hebel in Bewegung,
um einen Aufschub des Reiseplans zu erwirken, dessen Durchfuͤhrung er
spaͤter mit mehr oder weniger Recht die Entfremdung seiner Braut zu—⸗
schrieb. Keyserlingk mußte an die Landgraͤfin schreiben, der Koͤnig
1) Die Ehepakten waren schon am 258. Januar 1757 zu Kopenhagen abgeschlossen
und am 18. Maͤrz ratifiziert worden.