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Daͤnisch⸗russischer Krieg 1762
schlosse Goͤhrde im Luͤneburgischen zu verlegen, das ihr Neffe Georg III.
lihr Vater Georg II. war am 25. Okt. 1760 gestorben) ihr eingeraͤumt
hatte. Nach drei Wochen gluͤcklichen Zusammenseins trennten sich Mutter
und Soͤhne am 14. Oktober wieder und Wilhelm sah mit Neid seinen
juͤngeren Bruder Carl nach Rendsburg zu seinem Regiment abreisen,
waͤhrend er selber an den Hof zuruͤckkehrte, dessen Leben und Treiben
ihm mehr und mehr schaal und flach vorkam.
Seine tatenlose Unzufriedenheit wuchs noch mehr, als durch den Tod
der russischen Kaiserin Elisabeth (5. Januar 1762) das bis dahin vom
Kriege verschonte Daͤnemark in die Stuͤrme der Zeit hineingerissen zu
werden drohte. Der Gottorper Herzog Karl Peter Ulrich hatte kaum als
Zar Peter III. den Thron der Romanows bestiegen, als er Anspruch
auf den ehemals gottorpischen Anteil von Holstein erhob und offen er⸗
klaͤrte, daß er das, was Daͤnemark seinem Vater geraubt habe, mit
Waffengewalt zuruͤckzufordern entschlossen sei. So sah Koͤnig Fried—
rich V. sich gezwungen, Heer und Flotte zur Verteidigung seines Landes
zu ruͤsten. Waͤhrend nun Prinz Carl von Hessen die erbetene Erlaub⸗
nis erhielt, mit seinem Regimente den Feldzug gegen die Russen mit—
zumachen, wofuͤr ihm seine Mutter auch noch in dem Oberstleutnant
v. Verschuer einen Adjutanten zugesellte, mußte sein aͤlterer Bruder,
der Erbprinz, dem nach dem Tode Koͤllers selbst die Ehre eines mili—
taͤrischen Begleiters versagt war, schweren Herzens zu Hause bleiben und
durfte sich dort seiner Kanarienvogelhecke widmen, bis ihn der Koͤnig
zu seiner Gesellschaft nach Fredensborg berief. Der Äürger uͤber diese
Zuruͤcksetzung nahm ihn derart mit, daß er, noch an einem boͤsen Wechsel—
fieber, den Nachwehen einer Masernerkrankung des letzten Winters, leidend,
nach Kopenhagen zuruͤckkehren und sich in die Behandlung des koͤnigl.
Leibarztes Berger begeben mußte, der dann den Rekonvaleszenten zur
Nachkur nach Hirschholm schickte. Es war nur ein schwacher Trost fuͤr
ihn, daß aus dem erwarteten großen Feldzug gegen die Russen nichts
wurde. Waͤhrend beide Armeen sich in Mecklenburg gegenuͤber standen,
traf auf einmal die Nachricht von der Thronentsetzung und Ermordung))
des Zaren Peter (14. Juli 1762) ein. Damit war der Krieg zu
Ende. Koͤnig Friedrich V., der sich im Mai selbst zur Armee begeben
hatte, nahm die von der Gemahlin des Ermordeten, Kaiserin Katha—⸗
rina II. dargebotene Friedenshand gern an und konnte, ohne blutige
1) Charakteristischerweise weiß das Journal des Erbprinzen nur von einer »Colique
hémorrhagiales« zu berichten, die die Tage Peters III. beendigte. Von der Hand des
Paͤteren Kurfuüͤrsten Wilhelms II. ist erst der berichtigende Zusatz „Ermordung“ gemacht.