Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

50 Regierungsantritt Landgraf Friedrichs II. 1760 
seinen Uebertritt ins gegnerische Lager. Im Lande selber fuͤrchtete man 
den Bruch der Assekurationsakte, und mancher Aengstliche sah schon 
im Geiste die Jesuiten mit ihrem Anhang im Anmarsch gegen das 
Land Philipps des Großmuͤtigen. 
Nichts von alledem geschah. Enttaͤuscht wurden nur die Katholiken. 
Friedrich II. hielt sein gegebenes Wort, obwohl es nicht an Ver— 
suchungen fehlte, ihn davon abzubringen. Er wies die franzoͤsischen 
Unterhaͤndler ab und blieb der Sache der Verbuͤndeten treu. Ja, er 
verstaͤrkte sogar sein Heer um ein bedeutendes, und der Koͤnig von 
Preußen, der seiner militaͤrischen Hilfe viel verdankte, ehrte ihn in kluger 
Berechnung durch Uebersendung seines Feldmarschallspatentes. Auch 
die hessischen Untertanen merkten bald, daß der neue Fuͤrst nicht so 
schlimm war, wie der Ruf, der ihm vorausging. Nichts ist bezeichnen⸗ 
der fuͤr die besorgte Stimmung des gemeinen Mannes als der naive 
Satz, den der Casseler Gaͤrtner Graßmeder damals in seine Hand— 
chronika eintrug: daß der Landgraf im Anfange seiner Regierung aller⸗ 
hand Gebot und Befehl im Lande habe ausstreuen lassen, „jedoch seinen 
Unterthanen ohne großen Schaden“. Bald merkten auch die Miß—⸗ 
trauischsten, daß der neue Herr redlich bemuͤht war, seinem Lande ein 
wohlmeinender Landesvater zu werden und die Schaͤden des Krieges 
namentlich in der schwer heimgesuchten Hauptstadt zu heilen. 
So wandelte sich die Stimmung allmaͤhlich, und nur seine Ge— 
mahlin, bei der die Abneigung gegen den einst Geliebten mit der Zeit 
in blinden Haß umgeschlagen war, wollte ihre Ansicht uͤber den Land⸗ 
grafen nicht aͤndern. Seit dem Tode Wilhelms VIII. war sie heimat⸗ 
los, und das verbitterte ihre Stimmung noch mehr. In Rinteln auf 
dem Terxritorium ihres Mannes wollte sie nicht bleiben. Nach Hanau, 
das in den Haͤnden der Franzosen war, konnte sie nicht und mußte 
sich begnuͤgen den dortigen Behoͤrden den Tod Wilhelms VIII. und 
den Regierungsantritt ihres Sohnes durch ihren Kammerlakaien 
Schraid muͤndlich anzuzeigen. So ging sie nach CKelle, um von dort 
unter dem Schutze ihres Vaters alle Schritte zur Sicherung ihrer und 
ihrer Kinder Rechte in die Wege zu leiten. 
Landgraf Friedrich II. hatte den ehrlichen Wunsch, einen guͤt⸗ 
lichen Ausgleich mit seiner Familie zustande zu bringen, wenn dabei 
auch im Hintergrunde die offenbare Absicht schlummerte, die ihm durch 
die Assekurationsakte entzogene vaͤterliche Gewalt uͤber seine Soͤhne so— 
wie die Oberlandesherrschaft uͤber Hanau wieder zu erlangen. Das 
waren nicht nur die druͤckendsten Bestimmungen der Akte sondern nach
	        
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