Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Vorbereitung zur Konfirmation 
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haben muß?“ Und sie schloß mit der hoffnungsvollen Mahnung: „Du 
wirst der Herrscher und der Vater deines Volkes sein und sehr ver— 
schieden von allen denjenigen, die gegenwaͤrtig herrschen, deren beste 
von ihren Ministern abhaͤngig sein muͤssen und nur die Aussauger ihres 
Volkes sind.“ Diese Worte und Mahnungen der angebeteten Mutter 
sind gewiß nicht eindruckslos an dem Prinzen abgeglitten, wie seine 
spaͤtere Regententaͤtigkeit gezeigt hat, wenn er auch weit davon entfernt 
zeblieben ist, das von seiner Mutter ertraͤumte Idealbild eines Fuͤrsten 
zu verkoͤrpern. 
Prinz Wilhelm stand damals gerade in der Vorbereitung zu 
seiner Konfirmation, deren Leitung in den Haͤnden Ledderhoses lag. 
Die Sorge der Mutter, daß ihr Sohn dabei nur nicht bloß „wie ein 
Papagei“ auswendig lernen moͤge, konnte Ledderhose mit gutem 
Gewissen entkraͤften. Er berichtete, daß Wilhelm dem Unterricht mit 
zroßer Aufmerksamkeit folge und, wie auch sonst uͤberhaupt „besonders 
in der Religion nichts auf guten Glauben annehme, sondern von allem 
Erklaͤrungen und Beweise fordere und die vorgetragenen Gruͤnde pruͤfe“. 
Natuͤrlich stand dieser Religionsunterricht unter dem Zeichen der herrschen⸗ 
den Aufklaͤrung, aber Ledderhose war allem Anschein nach dem Rationalis⸗ 
mus doch nicht ganz mit Haut und Haaren verschrieben, wenigstens be—⸗ 
richtete er: „Ich habe es aber bei der natuͤrlichen Erxkenntnis Gottes 
und seiner Vollkommenheiten nicht bewenden lassen, sondern jedesmal 
zugleich angezeigt, was die Offenbarung der Christen hiervon lehrt, und 
wie dieselbe mit dem, was die Vernunft hierin sagt, vollkommen uͤber⸗ 
einstimmt.“ Das entsprach auch durchaus der Instruktion, die Wil⸗ 
helm VIII. fuͤr den Religionsunterricht des Prinzen gegeben haͤtte. 
Die Erbprinzessin Marie dagegen war voͤllige Rationalistin ohne 
edes Verstaͤndnis fuͤr den christlichen Offenbarungsglauben, am aller⸗ 
wenigsten fuͤr die reformatorische Rechtfertigungslehre. „Ich bin fest 
uͤberzeugt“, schrieb sie ihrem Sohne, „Gott richtet uns nach unserm 
Lebenswandel und nicht danach, daß wir ihn anrufen, wenn es bereits 
außer unser Macht ist, weitere Suͤnden zu begehn .... Bedenke 
mnmer, daß die Grundlage deiner Religion darin besteht, immer deinen 
Schoͤpfer zu ehren und ihm zu gehorchen und zu handeln, wie du 
selbst behandelt zu werden wuͤnschest. Das ist die wahre Religion, und 
ohne das ist alles Uebrige Pedanterie und Unsinn.“ Uebrigens nahm 
sie, ebenso wie ihr Sohn, die Konfirmation keineswegs leicht. Als der 
Zeitpunkt dafuͤr immer naͤher ruͤckte, fragte sie ihn eindringlich, ob er 
sich auch wirklich vorbereitet genug fuͤhle zu dem oͤffentlichen Geluͤbde
	        
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