Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Frankenbergs Arroganz Siebenjaͤhriger Krieg 40 
er sich um die Prinzen wenig, kam aber sehr oft und saß bis in die Nacht 
hinein mit dem General am Schachbrett, sah uͤberhaupt das Prinzenpalais 
„wie ein Gasthaus an, in dem er machen konnte, was ihm beliebte.“ 
Am meisten aͤrgerte sich Wilhelm daruͤber daß Frankenberg sich heraus— 
nahm, in seiner Gegenwart die am Casseler Hofe uͤblichen Spitznamen fuͤr die 
Mitglieder der landgraͤflichen Familie zu gebrauchen, die man scherzweise 
anzuwenden pflegte, wenn Uneingeweihte nicht wissen sollten, von wem 
die Rede war. Als der Gesandte es wagte, ihm eines Tages durch 
einen Diener ein fuͤr die Erbprinzessin bestimmtes Billet mit der Auf— 
schrift „Fuͤr Madame Herz“ (das war der Name einer bekannten reichen 
Juͤdin in Cassel) zu schicken, da war der 15 jaͤhrige Prinz sehr empoͤrt 
und konnte es Keyserlingk nicht verzeihen, daß dieser seinen Schach⸗ 
genossen in Schutz nahm. Wilhelm ließ sich nicht davon uͤberzeugen, 
daß sein Urteil vom Hochmut diktiert sei, sah vielmehr im Auftreten 
des Gesandten nur die Arroganz eines verwoͤhnten adeligen Guͤnst— 
lings und nahm sich seitdem vor, „den Edelleuten gegenuͤber immer eine 
gewisse Superioritaͤt zu zeigen, weil sie sonst zu leicht die gering— 
sten Vertraulichkeiten mißbrauchen, zu denen man sich bei ihnen herab— 
laͤßt.“ Frankenberg kam spaͤter nicht in die Lage, von der Gunst oder 
Ungunst Wilhelms abhaͤngig zu sein. Er trat schon nach einigen Jahren 
(1763) in Gothaische Dienste und starb 1815 dort als Staatsminister. 
Wir werden ihm spaͤter noch begegnen. 
Am 19. Oktober 1757 erschien wiederum ein Hesse, der Kriegsrat 
Althaus, in Kopenhagen, um als Spezialgesandter des Landgrafen 
mit dem Koͤnige und dem Minister Bernstorff uͤber die Ausfuͤhrung der 
unter daͤnischer Garantie abgeschlossenen Konvention von Kloster Zeven 
zu verhandeln. Seit einem halben Jahre war der Krieg in Nordwest— 
deutschland im Gange. Langraf Wilhelm VIII. hatte vergeblich ver⸗ 
sucht, seinem Lande die Neutralitaͤt zu erhalten, aber er konnte sich nicht 
entschließen, auf die von dem franzoͤsischen Unterhaͤndler Follard ge— 
machten Vorschlaͤge einzugehen, der im Januar d. J. mit einem Buͤndnis— 
antrag in Cassel erschienen war. Durch den Subsidienvertrag mit Eng— 
land (vgl. oben S. 21), auf dessen Boden 6000 seiner besten Truppen 
standen, waren ihm ja auch die Haͤnde gebunden, und die geschickte diplo⸗ 
matisch⸗literarische Agitation, mit der der Atheist auf dem preußischen 
Throne seinen Krieg gegen Oesterreich als einen Religionskrieg fuͤr 
die Freiheit des evangelischen Bekenntnisses zu stempeln verstand, 
fesselte den glaubenseifrigen Protestanten noch fester als bisher auch an 
die preußische Politif. Wilhelm VIII. erreichte zwar endlich, daß die
	        
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