Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Zweiter Abschied von Cassel 1756 
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selbst ging nur ungern mit nach Kopenhagen, aber der Landgraf mochte 
auf seinen Dienst als Gouverneur nicht verzichten, und so mußte Sévery 
das Feld raͤumen. Die Verabschiedung geschah in gnaͤdigster Form, 
indem Sévery zum Legationsrat mit 500 Taler Pension ernannt 
wurde. Trotzdem war er sehr ungluͤcklich uͤber seine Entlassung, die 
er als eine Kraͤnkung empfand, und auch die Prinzen, die erst ganz 
kurz vor der Abreise davon erfuhren, sahen ihren geliebten Mentor nur 
ungern scheiden. „Mein Herz wird sie an jeden Ort begleiten, wo sie 
weilen“, schrieb er an den Vater der Prinzen, „und ich hoffe, daß ich 
auch in dem ihren immer leben werde, indem sie die Grundsaͤtze treu 
bewahren, welche ich versucht habe ihnen einzuflößen. Ich kann Ew. 
Fuͤrstl. Durchl. versichern, daß diese Grundsaͤtze derart sind, daß sie alle 
diejenigen zufrieden stellen koͤnnen, denen an ihrem wahren Gluͤck und 
Heil gelegen ist. Gott, der meine redlichen Absichten kennt, moͤge ihnen 
Gedeihen geben.“ Um der Verabschiedung des verdienten Erziehers 
jeden Stachel zu nehmen, hatte Wilhelm VIII. erklaͤrt, seine Enkel seien 
jetzt alt genug, um einen militaͤrischen Gouverneur zu bekommen. Der 
fuͤr diesen Posten von ihm in Aussicht genommene Major v. Koͤller 
befand sich aber noch bei den in England weilenden hessischen Truppen, 
und so mußte Wittorff mit Stoupanus und Causid die Reise 
einstweilen allein antreten. 
Da die Prinzen in Kopenhagen mit fuͤrstlichem Aufwand auftreten 
sollten, so gestalteten sich die Umzugsvorbereitungen ziemlich umstaͤnd⸗ 
lich, und es dauerte fast 4 Wochen, bis sie vollendet waren. In ver⸗ 
schiedenen Transporten ging die Equipage nach Hamburg voraus. 
Endlich kam der Abschiedstag, der eine erneute Auflage des Abschieds 
vom 20. Dezember 1754 bildete. Den Prinzen kam jetzt erst die Schwere 
der bevorstehenden Trennung von der geliebten Mutter und der Vater— 
stadt recht zum Bewußtsein, und die weite Reise in das ferne nordische 
Land jenseits des Meeres schien ihnen jetzt „wie ein Sprung in einen 
Abgrund“. Dabei ahnte damals keiner von ihnen, daß es 27 lange 
Jahre dauern wuͤrde, ehe sie das Schloß ihrer Ahnen wieder betreten sollten. 
Es war eine recht umstaͤndliche Reise, und in der spaͤtherbstlichen 
kalten Jahreszeit nichts weniger als eine Annehmlichkeit. Am 28. 
Oktober wurde von Cassel aufgebrochen uͤber Hannover nach Hamburg, 
wo die Reisenden erst am 8. November ankamen und Rast machten. 
Hier hatten sich auch die beiden jungen Edelsheims aus Goͤttingen 
(S. 17) eingefunden und schienen Lust zu haben, die Prinzen nach Kopen⸗ 
hagen zu begleiten, was aber Wittorff im Auftrage des Landgrafen
	        
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