Koͤnig Friedrich V. Abschied von Goͤttingen 1756 25
eine Schwester des Landgrafen Carl gewesen war. Die Prinzen mußten
alle Tage mittags und abends an der koͤniglichen Tafel speisen, und
der ungezwungene Verkehr der dabei uͤblichen „bunten Reihe“ machte
großen Eindruck auf die Jungen, die unwillkuͤrlich die steife Etikette von
Herrenhausen damit verglichen. Vor seiner Abreise nach Kopenhagen
am 11. Juni schenkte der Koͤnig ihnen kostbare goldene Dosen mit
Diamanten besetzt, und auch ihre Begleiter Wittorff und Sévery gingen
nicht leer aus. Die Prinzen blieben noch 2 Tage in Hamburg, um
die Sehenswuͤrdigkeiten der alten Hansastadt, namentlich den Hafen
mit den großen Kauffahrteischiffen, zu bewundern, und reisten dann uͤber
Goͤttingen fuͤr einige Tage nach Cassel, wo sie dem Großvater und der
Mutter Bericht uͤber ihre Erlebnisse erstatteten. Beide waren sehr zu—
frieden, zumal auch Wittorff und Séevery nur Gutes uͤber das Benehmen
ihrer Zoͤglinge zu berichten hatten.
Der Besuch in Altona entschied uͤber die weitere Zukunft der hessi⸗
schen Prinzen. Noch einmal kam Marie im September nach Goͤttingen,
um auf der Rasemuͤhle eine froͤhliche laͤndliche Geburtstagsfeier fuͤr ihren
Juͤngsten zu veranstalten, die den kleinen Kreis an aͤhnliche fruͤhere
Feiern in Freienhagen erinnerte. Die Erbprinzessin ahnte nicht, daß es
ihr letzter Besuch in Goͤttingen sein sollte. Nach ihrer Abreise machten
die Prinzen am 17. September noch das Stiftungsfest der Universitaͤt
mit und langweilten sich nach Noten bei den endlosen lateinischen Reden
und stundenlangen akademischen Zeremonien. Tags darauf wurde
Wittorff ploͤtzlich durch eine Staffette nach Wilhelmsthal zu dem Land—
grafen berufen und kam am 22. September mit der uͤberraschenden
Nachricht zuruͤck, daß die Uebersiedelung des prinzlichen Hofhaltes nach
Kopenhagen beschlossen sei. Die Aussicht, das langweilige kleine
Goͤttingen mit dem glaͤnzenden Koͤnigshof am Sund zu vertauschen,
hatte etwas sehr Verlockendes, daher wurde die Nachricht mit Freuden
begruͤßt. Noch einmal mußten die Prinzen das ganze akademische
Zeremoniell mit Deputationen der Universitaͤt, des Magistrats, der
Buͤrgerschaft und der Behoͤrden uͤber sich ergehen lassen und reisten
dann am 2. Oktober nach Cassel ab.
Nach Wilhelms VIII. urspruͤnglicher Absicht sollte ja der Auf—-
enthalt seiner Enkel in Goͤttingen nur von voruͤbergehender Dauer sein.
Daß aber sein weiterer Plan, die Prinzen von hier nach den Nieder⸗
landen zu schicken, jetzt umgestoßen wurde, hatte seinen Grund in der
veraͤnderten allgemeinen politischen Lage, seitdem am Horizont dunkle
Wolken aufgezogen waren. Der große Kampf zwischen England und