Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Wilhelm J. als Fuͤrst Sein Testament 
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Fuͤrst eine hoͤhere Meinung von seinem Amte gehabt, kaum einer mit 
groͤßerem Fleiße und strengerer Gewissenhaftigkeit diese Pflichten, so wie 
er sie auffaßte, zu erfuͤllen gesucht. Er war ein guter Verwaltungschef 
und tuͤchtiger Organisator, wobei ihm sein glaͤnzendes Gedaͤchtnis und 
seine genaue Kenntnis von Land und Leuten, besonders aller Beamten 
bis zu den Subalternen herab, zugute kam. Auf die Auswahl der 
„Diener von Treue und Rechtschaffenheit“, die ein „Spiegel unserer 
Einsichten“ sein sollte, legte er besondern Wert, hatte auch im allgemeinen 
eine gluͤckliche Hand dabei. Da er aber auch den treuesten Dienern kein 
uneingeschraͤnktes Vertrauen schenkte, sie vielmehr uͤberall beaufsichtigen 
und kontrollieren wollte, wie er das als Regent von Hanau zu tun 
gelernt hatte, und da Hessen doch ein betraͤchtlich groͤßerer Verwaltungs⸗ 
bezirk war als die kleine Grafschaft am Main, so war diese Gepflogen⸗ 
heit nicht immer foͤrderlich fuͤr den Gang der Geschaͤfte. Trotzdem hielt 
er an ihr fest bis an sein Ende und empfahl sie auch seinen Nachfolgern 
aufs angelegentlichste. Das Testament, das er am 16. Oktober 1819 
Schmincke in die Feder diktierte, ist ein hohes Lied der Selbstherrschaft, 
die er uͤbte und predigte. Es heißt darin: „Jede Handlung, welcher 
der Regent selbst beiwohnt, jedes Geschaͤft, welches er selbst verrichtet,)) 
alles, was er selbst sieht, selbst hoͤrt und anordnet, wird eben so manchen 
Beweis seiner Wuͤrdigkeit, Selbstherrscher genannt zu werden, abgeben. 
Heil jedem unserer Nachfolger, von welchem man am Ende seiner Lauf⸗- 
bahn sagen wird: Er regierte selbst und regierte gut.“ 
Wilhelm bildete sich besonders viel auf seine Finanzpolitik ein, die 
aber gerade die schaͤrfste Kritik herausgefordert hat. Er wußte seine 
Gelder gut zu verwalten, aber er verstand sie nur zu tesaurieren, nicht 
nutzbringend, im Interesse seines Landes anzulegen, das vielmehr seine 
Knauserei oft bitter und schwer empfand. Was andere Geiz nannten, 
das nannte er „weise Staatsoͤkonomie“. Wenn es auch richtig ist, daß 
das alte Hessen dieser Staatsoͤkonomie (die auf dem Subsidienwesen be—⸗ 
ruhte) „sein Ansehn und seine vermehrte Kriegsmacht verdankte“, so war 
doch die Zeit fuͤr diese Art von Finanzpolitik vorbei, was der Kurfuͤrst 
nicht einsehn wollte, wie er auch die Bedeutung der hessischen Kriegs- 
macht stark uͤberschaͤtzte. Er empfahl „allen kuͤnftigen Regenten unserer 
Laͤnder den Kriegsstand durch Anbaͤnglichkeit und eigne Teilnahme zu 
1) »II faut de nécessité que le finc fasse ses affaires par lui même, à 
cause qu'un ministre a toujours des vues détournées«, Testament Friedrichs 
d. Gr. bon 1782. Man ogl. dort auch die andere Stelle: IIl faut étre sourd aux 
discours du public et mépriser ses vains jugements. Qu'il vous accuse d'ẽêtre 
avare ou ladre. qu'importe ?
	        
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