Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Friederike von Bernburg 
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Reise, wenigstens nach Obexitalien, zu bewegen. Dort werde er seine 
Gicht sicher los werden, sie wollte ihn auch mit zaͤrtlichster Kindesliebe 
pflegen. Große Kunstschaͤtze koͤnne er dort billig kaufen. Mit den 
lockendsten Farben malte sie ihm alles aus: »Les vogageurs tedes⸗ 
ques de la Hesse et d'Anhalt ne formeront qu'una felice fami- 
glia.« Im Juni 1817 kam sie nach Hessen zuruͤck. Der Kurfuͤrst 
wuͤnschte ihre Ruͤckkehr nach Anhalt, aber der Herzog, der inzwischen 
ein Fraͤulein v. Sonnenberg lieben gelernt hatte, wollte nichts mehr von 
der Landfluͤchtigen wissen und betrieb energisch die Scheidung, die im 
August ausgesprochen wurde.) Von der Hochzeit ihrer Tochter Luise?) 
mit dem Prinzen Friedrich von Preußen ferngehalten, reiste die Herzogin 
heimlich dem neuvermaͤhlten Paar nach und uͤberrumpelte es auf der 
Hochzeitsreise zur großen Verlegenheit aller Beteiligten. Seitdem hatte 
sie ihren eigentlichen Wohnsitz im Casseler Fuͤrstenhause,) wo sie dem 
alten Vater das Leben schwer machte, der jedesmal aufatmete, wenn ihr 
unruhiger Geist sie wieder auf die Wanderschaft trieb. Mit der Zeit 
zeigten sich Anfaͤlle geistiger Stoͤrung und Verfolgungswahnes in immer 
staͤrkerem Grade. Nach einem besonders heftigen Ausbruch beim Tode der 
Kurfuͤrstin (vgl. S. 303) wußte der Kurfuͤrst keinen anderen Rat, als 
daß er seine ungluͤckliche Tochter am 23. Februar 1820 nach dem Schlosse 
Wabern bringen und dort von Arzten bewachen ließ. Im Dezember 
durfte sie nach Hanau uͤbersiedeln, aber erst der Tod des Kurfuͤrsten 
schenkte ihr die voͤllige Freiheit wieder. Nicht fuͤr lange Zeit. In Bonn, 
wohin sie sich im Mai 1821 begeben hatte, kam ihre Krankheit wieder 
zum voͤlligen Ausbruch, worauf ihr Bruder, Kurfuͤrst Wilhelm II., sie 
durch den General v. Dalwigk gewaltsam nach Hanau zuruͤckbringen 
ließ, was damals großes Aufsehn erregte. In Hanau lebte die Un⸗ 
gluͤckliche, deren Zustand zwischen Perioden verhaͤltnismaͤßiger Gesund⸗ 
heit und Ausbruͤchen schlimmster Art wechselte, bis zum 17. April 1839, 
wo der Tod sie von ihren Leiden erloͤste. 
Ein gluͤcklicheres Geschick als ihren Geschwistern war der juͤngsten 
Tochter des Kurfuͤrsten, der Herzogin Caroline von Gotha, be— 
1) Herzog Alexius heiratete darauf Dorothea v. Sonnenberg, verlor sie aber noch 
im selben Jahre, worauf er sich, zum dritten Male, mit deren Schwester Ernestine ver— 
heiratete. 
Sie, sowohl wie ihr Bruder Alexander Carl, der letzte Herzog von Anhalt⸗ 
Bernburg, zeigten spaͤter Spuren von geistiger Stoͤrung, als trauriges Erbteil der 
Mutter. 
3) Ihre Vertraute in Cassel war die alte Frau v. Haͤnlein, der sie ihr Herz aus— 
zuschuͤtten pflegte. Aus dieser truͤben Quelle stammen manche Nachrichten vom Hofe, 
die nachher in die preußischen Gesandtschaftsberichte uͤbergingen.
	        
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