Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Wilhelms Verlobung 1756 Fluchtplan des Erbprinzen 23 
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haͤuser Koͤnigshofe. So behagte ihnen das Goͤttinger Einerlei wenig, zumal 
sich das Verhaͤltnis zwischen ihren beiden Gouverneurxen Wittorff und 
Sévery immer unerquicklicher gestaltete. Sie hatten sich schon mit 
dem Gedanken abgefunden, den ganzen langen Winter wieder in Goͤtt— 
ingen zu verbringen, als sie im Dezember den freudig begruͤßten Befehl 
des Großvaters erhielten, die Weihnachtsferien in Cassel zu verleben. 
Hier harrte des Aeltesten eine ungeahnte Ueberraschung. 
„In den ersten Tagen des Januar 1756“, so erzaͤhlt er selber, 
„erhielt ich den Befehl, mich allein zu meinem Großvater zu begeben. 
Als ich bei ihm eintrat, sagte er: ‚Wilhelm, ich habe eben deine Heirat 
ausgemacht, du bist mit der Prinzessin Caroline, zweiten Tochter des 
Koͤnigs von Daͤnemark verlobt'. Diese mir voͤllig unerwartete Er⸗ 
oͤffnung mit Gott weiß was fuͤr aufsteigenden Ahnungen machte einen 
sonderbaren Eindruck auf mich. Ich brach in einen Strom von Traͤnen 
aus und haͤtte alle Muͤhe, mich zusammen zu nehmen und die Ermah⸗ 
nungen meines Großvaters anzuhoͤren. Er versicherte mir, daß er bis 
jetzt mit mir zufrieden sei, und daß ich mich des fuͤr mich bestimmten 
Gluͤckes wuͤrdig zeigen solle. Als ich durch das Vorzimmer zuruͤck kam, 
war alle Welt sehr gespannt, zu erfahren, was mit mir los sei, aber 
ich mußte das Geheimnis wahren, und nur meine Mutter erhielt einen 
zetreuen Bericht uͤber das, was ich erlebt hatte. Am 5. Januar schickte 
mir die geheime Kanzlei den Entwurf eines Briefes, den ich an den 
Koͤnig von Daͤnemark schreiben sollte. Im Zimmer meiner Mutter schrieb 
ich ihn ab, er enthielt einen foͤrmlichen Antrag um die Hand der Prinzessin“. 
Die Verlobung Wilhelms war bereits im Dezember 1755 be— 
schlossen worden, und da die zukuͤnftige Braut eine Tochter ihrer geliebten 
juͤngsten Schwester Luise war, so hatte Marie nichts dagegen einzu⸗ 
wenden. Dem Erbprinzen, der von Hersfeld aus seine Einwilligung 
geben mußte, mochte dieser Verlobungsplan seines 12 jaͤhrigen Sohnes 
wohl weniger sympathisch sein, er hatte aber andere Dinge im Kopfe, 
um sich ihm zu widersetzen. Er trug sich damals mit verzweifelten Flucht⸗ 
gedanken, um in kaiserliche Dienste treten zu koͤnnen, aber sein Plan 
scheiterte durch den Verrat seines Adjutanten Schoͤll, und er mußte 
froh sein, als sich durch Vermittlung seiner Kusine, der Prinzessin 
Heinrich v. Preußen (S. 5 Anm.), ein Weg bot, durch Annahme 
eines preußischen Generalspatentes der strengen Beaufsichtigung des 
durch den mißgluͤckten Fluchtplan noch mehr gegen ihn aufgebrachten 
Vaters zu entgehen. Seine Soͤhne waren gerade wieder zum Geburts⸗ 
tag ihrer Mutter im Maͤrz 1756 in Cassel, als die Prinzessin Heinrich
	        
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