Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Patriarchalisches Regiment Knauserei des Hofes 353 
Gesetzlichkeit und buͤrgerliche Ordnung sich auszeichnete“. Und vierzehn 
Tage spaͤter bei der 6. Jahresfeier der Leipziger Schlacht prangte uͤber 
dem kurfuͤrstlichen Schlosse in Flammenschrift das schoͤne Wort: „Der 
Treue Ruhm ist meiner Hessen Eigenthum“. 
Das war der alte patriarchalische Ton, auf den Wilhelms ganzes 
Regiment gestimmt war. Materielle Sorgen waren freilich nicht so 
leicht zu bannen wie demagogische oder gar revolutionaͤre Ideen dem 
unmuͤndigen Volke durch Zensurpolitik fernzuhalten. Und an solchen 
Sorgen fehlte es nicht. Wie im ganzen deutschen Westen und Suͤden 
lasteten die Folgen des Mißwachses des nassen Hungerjahres 1816 
schwer auf dem Lande. Der Kurfuͤrst suchte die Not zu lindern, ließ 
Korn aus dem Osten kommen und oͤffnete die angelegten Nolspeicher, 
aus denen das Korn zu billigen Preisen (7 Taler gegen 9— 10 außer⸗ 
halb Hessens) abgegeben wurde. Fruchtwucher und Kornschmuggel 
wurden nachdruͤcklichst bekaͤmpft: es ließ sich aber doch nicht vermeiden, 
daß das billig aufgekaufte und heimlich ausgefuͤhrte Korn stellenweise 
wieder fuͤr teures Geld uͤber die Grenze zuruͤckkehrte. 
Handel und Wandel lagen nach der langen Kriegszeit darnieder 
und litten unter der starken, nicht mehr durch das Kontinentalsystem 
abgesperrten englischen Konkurrenz. Dem notleidenden Gewerbe ver—⸗ 
mochte die Wiederherstellung des Zunftwesens durch die Zunftordnung 
von 1816 auch nicht so schnell wieder auf die Beine zu helfen. Die 
alten starren Zunftfesseln waren darin zwar etwas gelockert, aber mancher 
wuͤnschte doch die westfaͤlische Gewerbefreiheit zuruͤckk. Steuern und Ab⸗ 
gaben wurden druͤckend empfunden. Das Landvolk aber raͤsonnierte 
uͤber die Straßenbaufrohnden, und der von dem Kurfuͤrsten zur Aus— 
gestaltung des kurhessischen Straßennetzes gewonnene, ausgezeichnete 
bayrische Techniker Fick hatte seine liebe Not mit den Bauern, die erst 
nach vielem Zureden ihre Zwangsdienste mit Geldbeitraͤgen abloͤsten. 
Sie wollten eben nicht begreifen, daß der reiche Landesvater die Kosten 
fuͤr solche Unternehmungen, deren Nutzen sie noch nicht einmal einsahen, 
nicht aus seiner eigenen Tasche bezahlte. 
Das war uͤberhaupt der Kernpunkt aller Beschwerden im Lande: 
die Knauserei des Kurfuͤrsten. Besonders die Casselaner hatten oft 
Grund, der westfaͤlischen Fleischtoͤpfe sehnend zu gedenken. Cassel, einst 
der Schauplatz der rauschenden Freuden und Feste des westfaͤlischen 
Karnevals, war wieder eine stille Stadt geworden, fast noch stiller als 
vor dem Jahre 1806. Die Geschaͤftsleute merkten den Unterschied sehr. 
Hatte doch Jerome zuweilen fuͤr ein einziges Fest so viel ausgegeben, 
Losch, Kurfuͤrst Wilbelm J. 23
	        
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