Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

350 —— Die letzten Verfassungsplaͤne 1818 
schen Gesandten; denn deren Hauptzweck sei doch nur, fuͤr Sparsam⸗ 
kleit zu sorgen, und das besorge er schon allein — ein Argument, gegen 
das sich allerdings mit dem besten Willen nichts einwenden ließ. 
Den Verfassungsplan ließ Wilhelm trotzdem nicht ganz fallen, und 
stellte noch am 25. Mai 1818 durch Lepel am Bundestag die Erfuͤllung 
seines Versprechens in nahe Aussicht. Daß das keine leeren Worte waren, 
beweisen drei eigenhaͤndige Konstitutionsentwuͤrfe Wilhelms, die er im 
August 1818 zu Papier brachte. Es waren gerade keine Verbesserungen 
zegenuͤber dem Entwurf von 1816; jetzt kam es ihrem Verfasser vor 
allen Dingen darauf an, daß „alles der Souverainitaͤt Nachtheilige um⸗ 
schifft werde.“ Wilhelm dachte diesmal an drei getrennte Provinzial⸗ 
kandtage fuͤr Althessen, Neuhessen und Schaumburg, auch eine Nach⸗ 
ahmung preußischen Vorbildes. Es waren dafuͤr sogar schon die Kommissare 
nominiert, doch kam es weder zur Berufung der Landtage noch zu einer 
Publikation der Verfassungsentwuͤrfe. Lepel suchte noch einmal in 
einer Denkschrift „Was ich wohl thaͤte, wenn ich Kurfuͤrst von Hessen 
waͤre“ die Sache in Fluß zu bringen, aber der General v. Ochs, der 
wieder ganz das Vertrauen seines alten Herrn gewonnen hatte!), mußte 
ihn widerlegen und den Beweis fuͤhren, daß der 8 13 der Bundesakte 
bon den Demagogen nur falsch interpretiert werde. Die revolutionaͤren 
Bewegungen in Italien und Spanien zerstoͤrten dann den geringen Rest 
konstitutioneller Neigung in dem Kurfuͤrsten vollstaͤndig. Er konnte 
schließlih das Schlagwort „Konstitution“ gar nicht mehr hoͤren, und 
jeder, der es im Munde fuͤhrte, wurde von ihm als Demagoge angesehn. 
Im Grunde genommen waren die Wuͤnsche der hessischen Bevoͤlkerung 
nach einer Verfassung nicht sehr stuͤrmisch gewesen, jedenfalls nicht in 
dem Maße wie wohl anderswo in Deutschland. Was Verfassung und 
Repraͤsentativsystem eigentlich war, daruͤber waren sich ja auch sonst die 
Gelehrten in Deutschland nicht so ganz einig, noch weniger die Politiker 
dieses romantischen Zeitalters, und im damaligen Kurhessen gab es weder 
biele Gelehrte noch Politiker. Der gemeine Mann wußte wohl noch 
von der westfaͤlischen Konstitution, die hatte aber niemandem sonderlich 
imponiert, und nur das saftige Witzwort des Solzer SHkonomen Thon, 
der die westfaͤlischen Staͤnde mit seinem Sitzfleisch (das wohl Sitz und 
Stimme habe, aber sich nicht hoͤren lassen duͤrfe) verglichen hatte, ging 
noch von Mund zu Munde. In Kurhessen gab es kaum eine oͤffent⸗ 
O 
1) Er wurde im Herbst 1818 zum Gesandten in Petersburg ernannt, trotzdem 
Haͤnlein aussprengte, er sei als einer der notorischsten Pluͤnderer von 1812 in Ruf— 
land ganz unmoͤglich.
	        
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