Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Haus⸗ und Siaatsgesetz 1817 Demagogen 349 
der uͤber sein Versprechen nicht hinausgekommen war. Er hatte wenigstens 
dem Volke seinen guten Willen gezeigt und schob die Schuld an dem 
Scheitern des Verfassungswerkes allein auf die Staͤnde. 
Im Grunde genommen war es ihm aber gar nicht so unlieb, daß 
aus der liberalen Verfassung nichts geworden war. Er sah, wie in 
anderen Laͤndern sich unerquickliche Streitigkeiten mit den Staͤnden ab⸗ 
spielten, und konstatierte mit Befriedigung, daß der neue Koͤnig von 
Wuͤrttemberg seine „fameusen“ Staͤnde auch einfach nach Hause schickte 
und sich ohne sie behalf. Den Verfassungsentwurf von 1816 hatte 
Wilhelm wirklich vernichtet. Um aber der Angelegenheit einen gewissen 
Abschluß im Sinne des beruͤhmten 8 13 der Bundesverfassung zu geben, 
hielt er es doch „den dermaligen Verhaͤltnissen angemessen“, ein Haus— 
und Staatsgesetz zu erlassen, das am 4. Maͤrz 1817 ohne Zu⸗ 
ziehung der Staͤnde veroͤffentlicht wurde.) Das war nur ein duͤrftiger 
Auszug aus den ersten Paragraphen der geplanten Verfassung mit bei⸗ 
laͤufiger Einschaltung einiger die rechtliche Stellung der Staatsdiener 
sichernden Saͤtze. Der Erlaß dieses Torsos schien zwar dem Kurfuͤrsten 
„sehr nuͤtzlich fuͤr die, die weder die Gesetze noch ihre Pflichten kennen“, 
konnte aber die Wuͤnsche der Verfassungsfreunde nicht befriedigen. 
Die richteten ihre Blicke wieder nach auswaͤrts. Im Januar 1818 
zirkulierte in Cassel eine von ihnen ausgehende Vorstellung an den 
Bundestag. Obwohl die Petition nur 25 Unterschriften fand, fuͤhlte 
sich der Kurfuͤrst doch veranlaßt, „den Casseler Demagogen, die wieder 
die Koͤpfe zu heben begannen, seine besondere Aufmerksamkeit zuzuwen⸗ 
den.“ So mußte in diesen Tagen Wilhelm v. d. Malsburg, der 
Guͤnstling Jeromes und wegen seines westfaͤlischen Grafentitels dem Kur⸗ 
fuͤrsten besonders verhaßt, die Dreistigkeit, daß er in Cassel einen großen 
Ball „nach Art einer westfaͤlischen Maskerade“ veranstaltet hatte, mit 
erneuter Verbannung nach Glimmerode buͤßen; denn zwischen Westfaͤlingern 
und Demagogen machte der Kurfuͤrst keinen großen Unterschied, wußte 
auch, daß die ritterschaftlichen Ballgaͤste Malsburgs zum großen Teil 
altstaͤndische „Querkoͤpfe“ waren. Andrerseits ließ er aber auch eine 
gleichzeitige Agitation des Advokaten Martin, des Insurgentenchefs 
von 1809, zu Gunsten eines Wiederzusammentrittes des Landtages ruͤcksichts⸗ 
los unterdruücken.. Er brauche keine Staͤnde, erklaͤrte er jetzt dem breußi⸗ 
1) Die Publikation erfolgte ganz uͤberraschend, ohne daß auch der sonst sehr gut 
unterrichtete preußische Gesandte vorher etwas davon erfahren hatte. In seinem Arger 
zaruͤber schrieb Haͤnlein nach Berlin: er halte das Gesetz fuͤr „eine foͤrmlich Infraction 
des mit Preußen geschlossenen Accessions-Alliancetractates“. Er riet, dagegen zu pro— 
lestieren und den Widerstand der Staͤnde, der sich schon zeige, dabei zu benutzen!
	        
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