Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

348 Aacher Kongreß 1818 Roͤnigstitel 
stimmung wurden denn auch beide Hessen uͤberstimmt und ihre Kontin— 
gente verschiedenen Armeekorps zugeteilt. Der Kurfuͤrst fuͤgte sich nur 
protestando dem unsinnigen Beschluß, der seine Hoffnung, den Hessen⸗ 
fuͤrsten eine dem fruͤheren Amt eines Kreisobersten aͤhnliche Stellung im 
Bunde zu sichern, fuͤr immer zerstoͤrte. 
Noch einen anderen Traum seines Ehrgeizes mußte er um dieselbe 
Zeit begraben. Die Monarchen der Heil. Allianz (ihr war der Kurfuͤrst 
im April 1817 gleichfalls beigetreten) fuhren zu dem Kongreß von 
Aachen und kamen dabei durch Hanau. Die Gelegenheit schien guͤnstig, 
bei einer Zusammenkunft mit ihnen die leidige Titelfrage noch einmal 
zur Sprache zu bringen, die dem Kurfuͤrsten um seines Sohnes willen 
besonders am Herzen lag: denn er mußte sich sagen, daß der kurfuͤrst⸗ 
liche Titel fuͤr seinen Nachfolger doch noch weit inhaltsloser sein werde, 
als fuͤr ihn selbst, der ihn noch zur Zeit des alten Reiches durch kaiser— 
liche Verleihung erhalten hatte. Er reiste mit dem Kurprinzen nach 
Hanau und fuhr am 21. September 1818 dem Kaiser Franz bis Dettingen 
entgegen. Dieser ebenso wie der am 25. uͤber Fulda eintreffende russische 
Kaiser wurden mit militaͤrischer Eskorte der Gardekavallerie und einem 
Geleite berittener Beamter und Foͤrster feierlich eingeholt, waͤhrend der 
Koͤnig von Preußen sich alles Zeremoniell verbat. Zu Wilhelmsbad 
empfing Wilhelm die Monarchen als seine Gaͤste, die auch auf seinen 
Wunsch einzugehen schienen. Metternich, der sich eben auf dem alt— 
fuldischen Johannisberg haͤuslich einrichtete war aber gegen die An— 
spruͤche Wilhelms. Sein Gebiet sei zu klein fuͤr ein Koͤnigreich, und 
von der „Kollektivwuͤrde“ mit Darmstadt zusammen wollte er erst recht 
nichts wissen. Er riet aber dem Kaiser Franz, dem Kurfuͤrsten eine 
ausweichende Antwort zu geben, und die liebenswuͤrdige Form, in die 
der Kaiser diese ihm vorgeschriebene Antwort kleidete, ließ den Kur⸗ 
fuͤrsten alles hoffen. Er hatte aber den Fehler begangen, diesmal nicht 
mit Darmstadt gemeinsam vorzugehen, und dessen Einwaͤnde sowie die 
Behauptung, daß England und Frankreich ein Koͤnigreich Hessen nie 
anerkennen wuͤrden, gaben den Aachern den gewuͤnschten Vorwand zur 
Ablehnung, die der oͤsterreichische Gesandte Wacquant am 21. Oktober 
zu Cassel uͤberreichte. 
Der Kongreß zu Aachen bildete den Auftakt zu der Periode der 
Reaktion, die jetzt allgemein in Deutschland einsetzte, wobei Preußen den 
Ton angab. In Kurhessen war man ja gewohnt, das preußische Muster 
nachzuahmen, und der Kurfuͤrst tat das zuweilen gar nicht ungern. In 
der Verfassungsfrage hatte er mehr getan als der Koͤnig von Preußen,
	        
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