Die hessischen Kontingente im Bundesbeer 347
des Auslandes rechnen konnte. Das Institut der Subsidienvertraͤge hatte
sich uͤberlebt), und damit war es mit der exzeptionellen Stellung der
hessischen Militaͤrmacht vorbei. Der Kurfuͤrst war darum eifrig bemuͤht,
bei der Bundesmilitaͤrorganisaton durch Zusammenschluß der hessischen
Kontingente die alte Wehrmachtbedeutung seines Landes einigermaßen
zu retten. Das Zusammengehn mit der darmstaͤdtischen Bruderlinie war
ja ein alter Wunsch von ihm; er betrachtete Hessen als ein Ganzes nach
altem Reichsrechte und begruͤndete damit auch seinen Anspruch auf die
Koͤnigswuͤrde fuͤr das Gesamthaus. Der Senior beider Linien sollte die
Krone tragen und ebenso auch das Kommando uͤber die zu einer Division
vereinigten gesamthessischen Truppen fuͤhren. Nachdem beide Hoͤfe schon
Ende 1816 eine Konvention abgeschlossen hatten, um das verwandtschaft⸗
liche und nachbarliche Einverstaͤndnis neu zu befestigen, scheute Kurfuͤrst
Wilhelm im folgenden September trotz seines Alters nicht den Weg nach
Darmstadt und fand hier den Großherzog Ludewig J. einverstanden
mit seinen Plaͤnen. Ein Gegenbesuch des Erbgroßherzogs in Cassel (Mai
1818) befestigte weiter das Einvernehmen, und beide Hessen gingen ge⸗
schlossen in die Bundesmilitaͤrkommission, um die Vereinigung ihrer Kon⸗
tingente unter alternierendem Kommando durchzusetzen. Die Augsburger
Allgemeine Zeitung schrieb damals, daß dies erste erfreuliche Beispiel
freiwilliger Einigung der hessischen Haͤuser hoffentlich Nachahmung finden
werde, da Deutschland dadurch besser vor Gefahr geschuͤtzt sein werde,
als durch viele andere militaͤrische Experimente. Anders dachte man am
Bundestag und in Berxlin, von wo aus man mit einer merkwuͤrdigen
Hartnaͤckigkeit diesen an sich doch so natuͤrlichen Plan bekaͤmpfte. In
Cassel mußte Haͤnlein den auf preußische Fuͤrsprache wieder in Gnaden
— EVV
maͤchtigter nach Frankfurt ging, bearbeiten und konnte seinem Koͤnige
am 26. April 1818 auch versichern, daß Ochs „die Absichten Ew. Kgl.
Majestaͤt so viel als moͤglich zu foͤrdern suchen wird“ trotz seiner voͤllig
umgekehrt lautenden amtlichen Instruktion! Bei der entscheidenden Ab⸗
1) Im Mai 1819 bot allerdings noch einmal Holland dem Kurfürsten Subsidien
an füͤr Stellung des niederlaͤndischen Bundeskontingentes in der Festung Luxemburg.
Aber weder diefes Angebot noch spaͤtere aͤhnliche von thuͤringischen und anderen Klein—
staaten, fuͤr Bezahlung die Stellung ihres Bundeskontingentes zu uͤbernehmen, fuͤhrte
zum Abschluß.
2) Ochs war von Tschernyscheff bei Halberstadt gefangen genommen (vergl. oben
S. 319) und nach Livland gebracht worden. Boyen verwandte sich besonders fuͤr ihn.
Bezeichnenderweise wuͤnschte der Kurfuͤrst, daß Ochs einen andern Namen, den eines
ausgeftorbenen hessischen Geschlechtes, annehmen sollte, ließ diese Forderung dann aber
fallen. Den Generalsrang erkannte Wilhelm natuͤrlich nicht an. Ochs ging als „Oberst“
nach Frankfurt, wurde aber schon nach vier Wochen zum Generalmaior ernannt.