Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

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Renaissance des Zopfes 1816 
erhoben, die uͤberhaupt jetzt oͤfters gegen die Außerungen seines Geizes 
sich vernehmen ließ. Sie appellierte an sein gutes Herz, wies auf die 
Stimmung des Publikums hin und wagte es sogar schließlich, ihn an 
den Tag zu erinnern, ou toutes les richesses mondaines n'ont plus 
de valeur pour nous et où nos actions seuls nous suivent et nous 
rendent l'immortalité dans les coeurs de la postéritéèé. 
Der Kurfuͤrst war nicht unempfaͤnglich gegen solche Exrinnerungen, 
wenn er auch kaum geahnt hat, daß von allen seinen Taten eigent— 
lich nur eine seinen Namen bei dem großen Publikum fuͤr die Nach— 
welt unsterblich gemacht hat: die Wiedereinfuͤhrung des Zopfes. Es 
war begreiflich, daß der am Äußerlichen so sehr haͤngende Fuͤrst bei 
seiner Ruͤckkehr seine Gardetruppen ganz im alten Stile, also auch mit 
der alten, von ihm streng bewahrten Haartracht wieder aufstellte. Die 
altmodische Kostuͤmierung der Haustruppen ist ja bis in die neueste Zeit 
eine beliebte, unschuldige Spielerei des Militarismus gewesen. Die 
hessischen Feldtruppen blieben davon befreit, trugen vielmehr Unifor— 
men modernen Schnittes, die sich wie gewoͤhnlich ganz an das preußische 
Muster anlehnten, das allmaͤhlich dann auch fuͤr die Garde maßgebend 
wurde. Waͤhrend aber die Preußen 1807 den Zopf endguͤltig abgelegt 
hatten), erlebte dieser in Hessen noch einmal eine froͤhliche Auferstehung. 
Eine kurfuͤrstliche Ordre vom 2. Januar 1816 bestimmte naͤmlich: „Die 
Hinterhaare werden bei den Leuten nicht mehr geschnitten, und sollen 
so bald wie moͤglich wieder wie sonst Zoͤpfe eingebunden werden.“ Alle 
Baͤrte und Backenbaͤrte waren verpoͤnt außer bei den Grenadieren. „Die⸗ 
senigen Regimenter, welche zuerst nach meiner Ordre angezogen sein 
werden, erhalten auch zuerst meine Approbation, und deren Commandeurs 
werden sich besonders recommandieren“, schloß die denkwuͤrdige Ordre, 
die im wahrsten Sinne des Wortes viel Staub aufwirbelte, da auch das 
Pudern (uͤr die Offiziere allgemein, fuͤr die Mannschaften bei der Pa— 
cade) wieder eingefuͤhrt wurde. Die kurhessischen Zoͤpfe waren uͤbrigens 
nicht so enorm, wie die Fama sie gemacht hat, sondern hatten eine nur 
bescheidene Laͤnge, reichten bis uͤber den Rand des Rockkragens, mußten 
aber selbst von den kleinen Kadetten getragen werden und waren jeden⸗ 
falls der ganzen Jugend des Offizierskorps eine sehr laͤstige Dekoration. 
1) Vorangegangen mit der Abschaffung der Soldatenzoͤpfe war Hsterreich 30. Juli 
1805. Es folgte Bayern 24. Dez. 1805, Hessen⸗Darmstadt 26. Juli 1806, Preußen 
April 1807 (nach russischem Vorbild). Die englischen pigtails fielen 1808, der daͤnische 
Nakkepidsk 1. Maͤrz 1810. In Frankreich, wo die Sanskulotten zuerst die Haare 
angebunden getragen hatten, hielt sich der Zopf in einzelnen Regimentern bis in die 
Zeit Ludwigs XVIII. in Bayern trugen ihn die Hatschiere bis 1825
	        
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