Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

342 Scheitern des Verfassungsplans 1816 
Hinsicht reaktionaͤrer als der alte Kurfuͤrst. Dessen gereizte Stimmung 
wurde nicht besser, als er die Preßangriffe in auswaͤrtigen Blaͤttern, 
wie Goͤrres' Rheinischem Kurier, las, die er sehr genau verfolgte. Als 
schließlch der Gedanke auftauchte, die Verfassung unter die Gaxantie 
zweier Großmaͤchte zu stellen, da riß ihm der Geduldsfaden. Er ließ 
einige Deputierte zu sich kommen und erklaͤrte ihnen (so erzaͤhlt wenigstens 
Haͤnlein) im hoͤchsten Affekt: Er wuͤrde denjenigen als Rebellen ansehn, 
der die Einmischung einer fremden Macht in die Landesangelegenheiten 
nachsuchte; er waͤre gesonnen, die Staͤnde wegzujagen, und er wuͤrde 
ihnen die bereits gedruckte Konstitution gar nicht geben. 
Etwas gemaͤßigter lautete die offizielle schriftliche Antwort, die dem 
„besondern Unwillen Sr. Kgl. Hoheit uͤber das ausgesprochene Miß⸗ 
trauen gegen das Gerechtigkeitsgefuͤhl seiner Regierung“ Ausdruck gab 
und Status an die nachteiligen Folgen exinnerte, „welche nach alten ge⸗ 
schichtlichen Erfahrungen aus gleichen Gaxantien in dem Verhaͤltnisse 
zwischen Fuͤrsten und Staͤnden gewoͤhnlich entstaͤnden und wie leicht durch 
Einmischungen fremder Gouvernements der Same zu inneren Gaͤrungen 
und Reibungen ausgestreut werde.“ 
Die Verhandlungen schleppten sich noch einige Wochen hin ohne ein 
greifbares Ergebnis in der Verfassungsangelegenheit. Diese mußte daran 
scheitern, daß einmal die fruͤher privilegierten Staͤnde, insbesondere die 
Ritter nichts von ihren Vorrechten aufgeben wollten, andrerseits, daß der 
Kurfuͤrst in dem anfechtbarsten Punkte, in der genauen Definition des 
Staatsvermoͤgens, nicht Farbe bekennen wollte. Anfang Mai 1816 
wurden die unfruchtbaren Verhandlungen abgebrochen, und am 10. wurde 
der Landtag geschlossen, ohne Landtagsabschied. was noch niemals in 
Hessen geschehn war. 
Den letzten Anstoß zu dem Entschluß Wilhelms, die Staͤnde einfach 
nach Hause zu schicken (die gleichzeitig tagenden schaumburgischen Staͤnde 
erhielten wenigstens einen Abschied) gab ihre Haltung gegenuͤber den 
Beschwerden der Subalternoffiziere, durch deren Annahme sie einen neuen 
„Anschlag gegen seine Autoritaͤt“ unternommen hatten. Unter der Flut 
bon Eingaben und Bittschriften, mit denen die Staͤnde waͤhrend ihrer 
Tagung uͤberschuͤttet wurden, exregte dieser Hilferuf besonderes Aufsehn. 
Das hessische Militaͤr wurde schlecht bezahlt. Die Klagen daxuͤber waren 
alt, und die Knauserei Wilhelms gegenuͤber einem Stand, dem seine 
ganze Liebe gehoͤrte, eigentlich unbegreiflich. Die hoͤheren Stabsoffiziere 
erhielten nur selten die ihrem Range entsprechende Gage; denn die Be— 
förderung bedeutete noch keineswegs eine Erhoͤhung der Bezuͤge. Von
	        
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