Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Landtagsverhandlungen 1816 Verfassungsplan 341 
den nachmals in Hessen so verfehmten Namen Hassenpflug trug, ge⸗ 
rieten auf einen toten Punkt, und am 4. Juli wurde der Landtag vertagt. 
Als er am 15. Februar 1816 wieder eroͤffnet wurde, kam die Land— 
tagskommission wenigstens nicht mit leeren Haͤnden. Sie brachte den 
Staͤnden die in der Zwischenzeit im Auftrag und unter Mitwirkung 
des Kurfuͤrsten ausgearbeitete Verfassung, um den Hauptwunsch 
der vorjaͤhrigen Tagung zu erfuͤllen. Der Kurfuͤrst hatte damals erklaͤren 
lassen: „Status koͤnnten versichert sein, daß Se. Kgl. Hoheit den Bedacht 
nehmen wuͤrden, der kurhessischen Verfassung eine solche Bestimmung zu 
geben, die auf den liberalsten Grundsaͤtzen beruhen und das Gluͤck ihrer 
getreuen Untertanen befestigen werde.“ Diese Zusage war getreulich 
geloͤst worden. Ein fluͤchtiger Blick in den konfidentiell den Staͤnden 
mitgeteilten Entwurf bewies, daß hier der Plan einer Konstitution vor⸗ 
lag, die in gluͤcklicher Anlehnung an die alte historische Verfassung auch 
den Forderungen der neueren Zeit gerecht wurde, mit dem alten selbst 
herrlichen Regiment brach und den Schutz der buͤrgerlichen Freiheit 
garantierte. (Vgl. meine, Geschichte des Kurfuͤrstentums Hessen“ S. 100 f.) 
Der liberale Grundzug dieses Entwurfes stand in merkwuͤrdigem 
Gegensatz zu des Kurfuͤrsten bisheriger Regierungsmethode und Praxis. 
Wilhelm meinte aber: „Wenn er selbst bei seinen Lebzeiten auch keiner 
Konstitution beduͤrfe, so werde er doch um des Beispiels und der Folgen 
willen der erste sein, der sich derselben unterwerfe.“ Er hatte dem 
Zeitgeist wahrlich nicht leichten Herzens diese Konzession gemacht und 
war nun der Ansicht, daß die Staͤnde sein Geschenk (als solches be— 
trachtete er die Verfassung) dankbar mit beiden Haͤnden ergreifen und 
annehmen wuͤrden. 
Das taten sie aber nicht; sie wollten den Entwurf vielmehr Punkt 
fuͤr Punkt pruͤfen und kritisieren, daruͤber verhandeln und das Resultat 
ihrer Verhandlungen als einen Vertrag zwischen Fuͤrst und Volk auf— 
richten. Sehr ungehalten daruͤber bestritt der Kurfuͤrst den Staͤnden, 
die doch nur Althessen vertraten, uͤberhaupt das Recht, für das ganze 
Land das Wort zu führen, mußte aber schließlich doch so weit nach— 
geben, daß es zu Verhandlungen uͤber die einzelnen Punkte kam. Die 
Fuͤhrung der Opposition uͤbernahm der Adel, dem es wohl weniger um 
eine neue liberale Konstitution, als um die Wahrung seiner alten, durch 
den Kurfuͤrsten stark beschnittenen Vorrechte zu tun war, wie sich immer 
deutlicher zeigte. Die Ritter haͤtten am liebsten die alte Landesverfassung 
wieder gehabt, beriefen sich sogar auf den Frankfurter Akzessionsvertrag, 
der deren Wiederxeinfuͤhrung verlangte, und zeigten sich so in mancher
	        
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