Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

340 Landtagsverhandlungen 1815 Finanzfrage 
endete mit einer großen Enttaͤuschung sowohl fuͤr den Fuͤrsten wie fuͤr 
das Land. Der Kurfuͤrst glaubte auf die Dankbarkeit der Hessen rechnen 
zu duͤrfen, dafur, daß er als einer der ersten deutschen Fuͤrsten die 
Staͤnde berufen und die Bauern hinzugezogen hatte. Aber er betrachtete 
den Landtag doch eigentlich nur als eine Art von Steuerbewilligungs⸗ 
maschine, und seine Forderung von mehr als A! /ʒ Millionen Talern zur 
Erstattung der Armaturkosten und anderer von der Kriegskasse geleisteten 
Vorschuͤsse (z. T. aus der Zeit vor der Okkupation), die den Staͤnden 
als erste Regierungsvorlage zuging, wurde ihm sehr uͤbel genommen. 
Die Staͤnde hatten die sofortige Erteilung einer Konstitution erwartet, 
wurden aber auf die Zeit nach Feststellung der deutschen Bundesverfassung 
bertroͤstet. Als sie nun eine genaue Nachweisung uͤber die Existenz der 
landesherrlichen Forderungen und vor allem uͤber die Bestaͤnde der von 
dem Landesherrn verwalteten Kassen forderten, da war der Ronflikt 
da. Daruͤber, was eigentlich Staatsvermoͤgen und was Vermoͤgen des 
fuͤrstlichen Hauses war, herrschte voͤllige Unklarheit. Der Kurfuͤrst war 
absolut nicht geneigt, diese Unklarheit zu beseitigen, betrachtete vielmehr 
alle dahinzielenden Bestrebungen als „Übergriffe gegen sein Privatver⸗ 
moͤgen“. Erst auf wiederholtes Draͤngen ließ er sich dazu herbei, den 
Staͤnden einen Rechnungsauszug uͤber die Verwendung der aus den 
Subsidienvertraͤgen stammenden Gelder streng vertraulich mitzuteilen. 
Dieser Auszug, der einer Einnahme von 21276778 Talern Ausgaben ) 
bon 18908 896 Talern gegenuͤberstellte, also nur einen Restbestand von 
2367882 Talern zeigte, konnte die wißbegierigen Staͤnde nicht be⸗ 
friedigen, zumal es im merkwuͤrdigen Widerspruch mit dieser Rechnung 
hieß, daß „nach Abschreiben aller Verluste nach vorlaͤufigem mit moͤg⸗ 
ichster Genauigkeit verfertigten Abschluß 4579 903 Taler 18 Albus 4 
Heller vorhanden“ seien. Eine solche Mathematik forderte zur Kritik 
heraus, zumal einem Fuͤrsten gegenuͤber, dem man die Anhaͤufung großer 
Schaͤtze nachsagte. Der Kurfuͤrst war aber nicht gewillt, seine Finanz— 
zeschaͤfte, uͤber die er den mauvaises téêtes des Landtages auch kein 
sachverstaͤndiges Urteil zutraute, kontrollieren zu lassen. Die schriftlich 
gefuͤhrten Verhandlungen seiner Landtagskommissare, von denen einer 
1) Unter den Ausgaben waren nicht weniger wie acht Millionen Taler extra⸗ 
rdinaͤre Kosten, die mit dem Militaͤr wenig zu tun hatten und ein wunderliches Ge⸗ 
nisch zeigten. Darunter waren z3. B. Kosten bei der Demolition der Festung Cassel, 
ei der Anlage der franzoͤsischen Kolonien, Bauten aller Art, Findelhaus, Museum, 
Iyceum Fridericianum, Mauer um die Unterneustadt, Wachthaͤuser am Friedrichstor, 
Reisekosten fuͤr Offiziere, Douceur fuͤr Schlieffen (29, 108), Buͤchertransport beim Um—⸗ 
ug der Bibliothek, Versetzung von Uhr ünd Glocke vom Zwehrenturm auf die Garni— 
onskirche u. a. m
	        
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