Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Gesandtschaftskonflikt Haͤnlein Zastrow J 339 
Dalbergischen Minister Grafen Keller als dritten Geheimen Staats⸗ 
minister aufdraͤngen, der indessen nach seiner diplomatischen Taͤtigkeit 
am Wiener Kongreß bald wieder ausschied und in preußische Dienste 
trat. Haͤnlein stand gut mit dem Kurfuͤrsten, aber seine Versuche, ein 
politisches rapprochement an Preußen zustande zu bringen, hatten nicht 
den gewuͤnschten Erfolg. Als er im Februar 1816 als Bundestags⸗ 
gesandter nach Frankfurt ging, sollte der General von Zastro w sein 
Nachfolger werden. Den haͤtte der Kurfuͤrst im vorigen Jahre anlaͤß⸗ 
lich der Aufstellung des Feldzugskorps als recht unbequemen militaͤrischen 
Spezialgesandten kennen gelernt und lehnte ihn deshalb ab. Trotzdem 
lam der General im Juli nach Cassel, folgte dem Kurfuͤrsten sogar nach 
Hofgeismar und suchte seine Anerkennung als Gesandter in aufdring⸗ 
lichster Weise zu erzwingen. Die fortgesetzte Weigerung Wilhelms, ihn 
zu empfangen, fuͤhrte schließlich zu einem richtigen Abbruch der diplo— 
matischen Beziehungen, was der Kurfuͤrst aber sehr ruhig aufnahm, „da 
bekanntermaßen heftige Stuͤrme nicht lange waͤhren“. Als Haͤnlein aus 
Frankfurt in Geismar eine Audienz erhielt, meinte der Kurfuͤrst, er 
werde unter den obliegenden Umstaͤnden sich wohl „dem Kaiser von 
Osterreich ganz in die Arme werfen muͤssen“. Die spaͤtere Er— 
nennung Lepels zum Gesandten in Wien wurde als der Anfang einer 
solchen Schwenkung par dépit de Prusse angesehen. Zastrow wollte 
sogar wissen, daß der Kriegsrat Rivalier im Auftrag Schmerfelds 
die suͤddeutschen Hoͤfe bexeise, um eine Art Verschwoͤrung anzuzetteln, 
und warnte seinen Hof dringend vor der verdaͤchtigen „Duplicitaͤt“ des 
Kurfuͤrsten. Dieser setzte schließlich seinen Willen durch. Zastrow, der 
in Zivilkleidung, mit drei Großkreuzen geschmuͤckt, tagelang auf dem 
Friedrichsplatz promenierte, ohne eine Audienz zu erhalten, mußte das 
Feld raͤumen, und im Januar 1817 kehrte Haͤnlein als Gesandter nach 
Cassel zuruͤck. 
Hsterreichs Gesandter am kurfuͤrstlichen Hofe war Graf Buol⸗ 
Schauenstein, und als dieser als erster Bundestagspraͤsident 1816 nach 
Frankfurt ging, ersetzte ihn der k. k. Feldmarschall⸗Leutnant Wa cquant⸗ 
Geozelles, ein alter lothringischer Haudegen, der, wie Haͤnlein wissen 
wollte, sich seine reichlich bemessenen Mußestunden durch Hantieren mit 
dem Kleistertopf bei Papparbeiten verkuͤrzte. 
Einen großen Raum in den Gesandtschaftsberichten aus Cassel nach 
der Restauration nahmen die Landtagsverhandlungen ein, uͤber 
die man sonst nicht viel erfuhr, da die Casseler Zeitung daruͤber schwieg. 
Die erste Tagung der Staͤnde (G. 334) dauerte bis zum 4. Juli 1815 und 
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