338 Territoriale Anderungen Kurhessen und Preußen
1815 wenigstens zum groͤßeren Teil erhielt. Dafuͤr mußte er die ganze
Niedergrafschaft Katzenellnbogen, die Herrschaft Plesse und die
kleinen Enklaven an der Unterweser, sowie Stadt und Amt Vach und
andere kleinere Gebietsteile rechts der Werra an Preußen abtreten,)
das mit diesen Landesteilen weitere Tauschgeschaͤfte machte. Zur Her⸗
gabe der Grafschaft Schaumburg hatte Wilhelm sich nicht verstehn
koͤnnen, wie auch das von Bayern und Preußen bedrohte Hanau ge⸗
rettet und durch Vertraͤge mit Darmstadt und Hsterreich (20. Juni 1816)
arrondiert wurde. Das viel umstrittene Amt Babenhausen fiel nun
endguͤltig an Darmstadt, und beide Linien teilten sich in das Gebiet des
Fuͤrsten von Isenburg, der als schwarzes Schaf unter den Rhein⸗
bundsfuͤrsten vom Wiener Kongreß zur Opferung bestimmt worden war.
Schließlich erhielt Kurhessen auf Draͤngen des Kurfuͤrsten nachtraͤglich
am 9. Oktober 1817 noch die kleine Grenzstadt Volkmarsen, um die
man sich schon einmal 1802 mit Darmstadt gezankt hatte.
Die Verhandlungen uͤber die Entschaͤdigungen waren im wesent⸗
lichen mit Preußen gefuͤhrt worden, das damals den Laͤndermakler
spielte, und sie waren nicht ohne Reibungen vor sich gegangen. Von
Berlin aus suchte man Kurhessen wieder in die alte politische Abhaͤngig⸗
keit von Preußen zu bringen, stieß aber jetzt auf staͤrkeren Widerstand
bei dem Kurfuͤrsten, dessen alte Vorliebe fuͤr den Staat Friedrichs d. Gr.
sich im Laufe der Jahre doch erheblich abgekuͤhlt hatte. Bei Wilhelms
Abreise aus Prag im Dezember 18183 schrieb der dortige preußische
Agent Legationsrat Kuͤster, der seine Schritte genau uͤberwachte, an
Hardenberg, man muͤsse dem Kurfuͤrsten „zu seiner gesicherten Leitung
heim Wiederantritt der Regierung“ moͤglichst bald einen Gesandten zur
Seite stellen. Die Wahl war auf den Ansbacher Carl von Haͤnlein
gefallen, der fruͤher an Dalbergs Hof abkreditiert gewesen war. Dieser
mußte dann auch noch im Juli 1814 dem Kurkfuͤrsten den ehemals
1) Der Landgraf von Hessen-Rotenburg, der durch diese Abtretungen einen
Teil seiner Einkuͤnfte aus der sog. Quart verlor, wurde durch Korvey und die schlesischen
Herrschaften Ratibor und Rauden entschaͤdigt, die Kurprinz Wilhelm 1811 fuͤr eine
halbe Million Taler von Preußen gekauft hatte. Als Katzenellnbogen von Nassau in
Besitz genommen wurde, meldete sich noch einmal der alte Jakobinerprinz Kbarles
Hesse Gergl. oben S. 217), der zu Frankfurt in kuͤmmerlichen Verhaͤltnissen lebte und
Im 21. Maͤrz 1817 mit dem ihm eigenen Pathos als Comte de Katzenellnbogen
gegen die Preisgabe der Grafschaft protestierte. Alle andern Fuͤrsten haͤtten Profite
zehabt, der sergeant gascon Bernadotte sitze sogar noch immer auf dem schwedischen
Thron. Die Anhaͤnger Bonapartes schwaͤmmen in Gold, nur er allein sei bettelarm
und seit sechs Jahren sans logement et manquant de tout. Dennoch werde er
Katzenellnbogen bis zum letzten Atemzug verteidigen avec le courage si hessois qui
he characiéêrise Sein Protest blieb unbeachtet, und der ungluͤckliche Narr starb in
Vergessenheit am 19. Mai 1821 zu Frankfurt.