Feldzug von 1815
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pathien fuͤr den ehemaligen Protektor auflebten. Der Kurfuͤrst ließ
deshalb jede Außerung zu Gunsten Napoleons fuͤr Hochverrat erklaͤren,
und mancher franzoͤsischer Sympathien Verdaͤchtige wanderte als Spieß⸗
geselle des Buonaparte hinter Schloß und Riegel, wie Graf Mals⸗
burg,) der angeblich noch mit Jerome in Verbindung stand und des⸗
halb nach Spangenberg gebracht wurde. Die Herzogin von Gotha
aber, die Frau des Napoleonschwaͤrmers, schrieb ihrem Vater: sie zittere
vor Zorn, wenn sie an den Daͤmon, den verhaßten Buonaparte denke:
sie bedauerte kein Mann zu sein, um mithelfen zu koͤnnen à sa honte
et à sa wort.
Der Kurfuͤrst war sofort bereit, an dem neu beginnenden Krieg
gegen den Geaͤchteten teilzunehmen. Die Aussicht auf englische Sub—
sidien und preußisches Draͤngen veranlaßten ihn sogar, eine erheblich
groͤßere Anzahl Truppen ins Feld zu stellen, als nach dem urspruͤng⸗
lichen Plan der Verbuͤndeten von ihm verlangt war. Er konnte sich
noch nicht an den Gedanken gewoͤhnen, daß die Zeit der Subsidien
eigentlich zu Ende ging, und war sehr aͤrgerlich, daß Wellington nur
fuͤr die ersten 78590 Mann die Aushebungskosten mit 70000 Pfund
Sterling bezahlte. Es waren die letzten Subsidien, die Hessen von
England erhielt. Im Ganzen ruͤckten diesmal 12000 Kurhessen im
April ins Feld und uͤber den Rhein unter dem Oberbefehl des Genexals
Engelhardt, des Prager Verbannungsgefaͤhrten. Der Kurprinz
wurde diesmal ganz uͤbergangen. Er blieb untaͤtig und veraͤrgert im
Lande zuruͤck und durfte nur zusehen, wie sein Vater im Mai die ersten
Fruͤhjahrsexerzitien nach der alten Schablone von 1806 wieder aufnahm.
Die hessischen Feldtruppen waren wieder zum Festungskrieg bestimmt,
waͤhrend die englisch⸗preußische Armee in Brabant die entscheidenden
Schlaͤge gegen Napoleon fuͤhrte. Sie eroberten im Laufe des Sommers
Sedan, Mezieres, Rheims, Givet, Montméèdy und Longwy und zeigten
namentlich bei der Erstuͤrmung von Charleville große Bravour. Wil⸗
helms natuͤrlicher Sohn, Graf Carl Hessenstein, der einen hierbei
eroberten franzoͤsischen Adler nach Cassel brachte, wurde wie ein Triumphator
empfangen. Großen Jubel gab es auch, als am 1. November — dem
9. Jahrestag der Okkupation — die von den Franzosen geraubten
Kunstschaͤtze aus Paris zuruͤckkamen und tausende von Menschen die
mit Blumen und Laubgewinden geschmuͤckten Wagen vom Frankfurter
1) Wilh. Otto v. d Malsburg (1780 — 1857), ein Sohn des hanauischen Ministers,
westfaͤlischer „Graf“ und Oberhofmarschall Jeromes, den er auf seiner Flucht begleitete.
Galt als Verraͤter des Doͤrnbergischen Aufstandes.