334 Landtagseroͤffnung 1815 Napoleons Ruͤckkehr
nicht gehoͤrt hatte, das erfuhr er jetzt, wahres und falsches; denn es
regnete geradezu an Denunziationen gegen wirkliche und angebliche
Franzosenfreunde, und mancher mußte darunter leiden. Schließlich
wurde es dem Kurfuͤrsten aber doch zu viel damit, und er erließ eine
Verordnung, wonach Denunziationen von den Beamten nicht mehr an—
genommen werden sollten.
Dem Kurfuͤrsten war das in Wien gegebene Versprechen, seinen
Untertanen eine liberale Konstitution zu geben und damit seine „ge—
rechte Souvberaͤnitaͤt zu beschraͤnken“, nicht leicht gefallen; dennoch zoͤgerte
er nicht mit seiner Ausfuͤhrung. Die Bauern, die „zum ersten Male
seit Heinrich dem Kinde“ eine Einladung zur Teilnahme an den staͤndischen
Verhandlungen erhielten, sandten eine 50 Mann starke Deputation nach
Cassel, um dem Kurfuͤrsten zu danken. „Die Gexechtigkeit erfordere ihre
Zuziehung“, meinte dieser, hoffte dabei aber auch im stillen, in dem ge—
meinen Manne einen Bundesgenossen gegen die Opposition der uͤbrigen
ihm stets unbequem gewesenen Staͤnde zu finden.
Da das alte staͤndische Haus am Friedrichsplatz jetzt von dem Kur⸗
prinzen bewohnt wurde, so fand die Eroͤffnung des Landtags am 1.
Maͤrz 1815 in dem von dem Brand verschont gebliebenen Fluͤgel des
alten Schlosses statt. Ungewoͤhnlich war auch die Form dieser Er—⸗
oͤffnung, die durch den Kurfuͤrsten in eigener Person erfolgte. Es war
das eine wohl unbeabsichtigte Nachahmung der westfaͤlischen Praxis
ebenso wie die von Wilhelm verlesene Thronrede. „Am Abend meines
Lebens“, hieß es darin, „wird es mir eine große Beruhigung gewaͤhren,
wenn die Resultate dieser Versammlung dahin fuͤhren, das Gluͤck und
Wohl meiner getreuen Untertanen nicht bloß fuͤr jetzt sondern fur immer
durch feste, unumstoͤßliche Bestimmungen dauerhaft zu gruͤnden und zu
sichern. Gern werde ich meinerseits die Hand dazu bieten.“
An ebendemselben 1. Maͤrz verließ Napoleon Elba. Die Nachricht eilte
wie ein Lauffeuer durch Europa und draͤngte alle anderen Interessen in den
Hintergrund. Nach Cassel kam sie zuerst durch den General v. Muͤller,
der seit Anfang des Jahres mit seiner Brigade in Hanau stand, um
die Grafschaft gegen bedrohliche bayerische Aspirationen zu sichern. Er
schrieb dem Kurfuͤrsten dazu: Hoffentlich werde es jetzt moͤglich sein,
„die Welt von diesem Menschen zu befreien, der fruͤhe oder spaͤt doch
wieder auf dem Schauplatz erschienen sein wuͤrde“. Die durch den heil⸗
samen Schrecken wieder geeinigten hadernden Parteien des Wiener Kon⸗
gresses sprachen denn auch bald die Acht uͤber den Friedensbrecher
Europas aus, wenn auch in Rheinbundskreisen manche heimliche Sym⸗