Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

332 Saͤchsische Exekution 1814 Wiener Kongreß 
dieses Beschwichtigungsversuchs des Landgrafen ruͤckte Anfang August auf 
Befehl des Generals v. Kleist das dritte deutsche Armeekorps von Coblenz 
aus in Oberhessen ein. Es waren 20000 Sachsen unter dem General 
Thielmann, die durch die politischen Verhaͤltnisse veraͤrgert, als 
Exekutionstruppen stellenweise ziemlich ruͤde auftraten und den Marburger 
Professor Wachler zu einem lauten oͤffentlichen Protest gegen ihre 
„Frevelthaten“ veranlaßten. Der Kurfuͤrst war sehr aufgebracht uͤber 
dies Vorgehn. „Der Verlust fuͤr mich und meine Staaten ist gar nicht 
zu ermessen. 10000 Paar Arme weniger bei der so schon recht maͤßigen 
Ernte und mehr als 100000 Taler monatlicher Mehrkosten fuͤr die 
Kriegskasse, ganz abgesehn von den Ausschreitungen der Sachsen, die 
sich wie in Feindesland benehmen.“ Er brach seinen Badeaufenthalt 
ab und schickte den Geheimen Kriegsrat Lennep nach Berlin. Dessen 
Bemuͤhungen, unterstuͤtzt durch „betraͤchtliche Summen,“ die er fuͤr Harden⸗ 
berg und Wittgenstein mitbrachte, gelang es Anfang September, den 
Ruͤckzug der unwillkommenen Gaͤste zu bewirken. Der Kurprinz aber erhielt 
nach seiner Ruͤckkehr von Berlin einen sehr ungnaͤdigen Empfang. Der Kur⸗ 
fuͤrst ließ sonderbarerweise zu seiner Entschuldigung nur gelten, daß Wilhelm 
vpeu maĩtre de sa langue paternelle« die Beurlaubungsordre falsch 
als Demobilmachungsordre verstanden habe. Er mußte den preußischen 
General v. Gaudi, der zur Inspektion der Kriegsbereitschaft des hessischen 
Militaͤrs von Berlin gesandt wurde, in die einzelnen Garnisonen begleiten;: 
der Kurfuͤrst sorgte aber dafuͤr, daß dieser unbequeme Aufpasser, uͤberall 
poͤllig isoliert“ wurde und nicht viel erfuhr. 
Inzwischen ruͤsteten sich die europaͤischen Potentaten zur Beschickung 
des großen Kongresses, der zu Wien die Geschicke Europas ordnen sollte. 
Kurfuͤrst Wilhelm hatte keine rechte Lust, selbst dort hin zu gehn, 
sein Bruder Friedrich riet ihm aber dringend dazu, die Muͤhe und die 
Kosten nicht zu sparen. Es genuͤge nicht de compter sur la fortune, 
wie der Kurfuͤrst schreibe, sondern selbst zu handeln, se mettre en avant 
et déjouer les intrigues des autres, qui ne cherchent qu' a nous 
abaisser. So brach er dann doch am 24. September mit dem Kur⸗ 
prinzen und einer zahlreichen Suite nach der Donau auf und kam am 
30. in Wien an. Die Herzogin von Bernburg haͤtte ihm geschrieben, 
nun wuͤrden die Kurfuͤrsten dort wohl wieder einen Kaiser waͤhlen. 
finden, der jetzige Anzug ist weit huͤbscher und zweckmaͤßiger.“ Friedrich antwortete: 
„Daß solcher nuͤtzlicher und zweckmaͤßiger, bin ich mit Ew. Maj. gantz eins, umso mehr 
daß, da alle Maͤchte es angenommen, man sich auszeichnen sd. h. auffallen] wuͤrde, 
wenn man nicht mit dem Geist der Zeit ginge, allein meine alten Augen sind den 
vorigen Anzug gewohnt.“ (Brief vom 29. Juli 1814).
	        
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